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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0121

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BESPRECHUNGEN. ]]7

hschen fühle; dieses Schwelen, in dem sich die Gebärde erzeugt, das die Gebärde
suggeriert. Dramatische Sprache ist nicht die Relation von Tatbestand. Die Tönung,
die ein Gesagtes annimmt, in der eine Seele durchsichtig wird, entscheidet darüber,
ob eine Sprache dramatisch ist oder nicht. Stellt ein Drama ein Gewebe von ob-
jektiven Begebenheiten dar, so ist es die Durchdringung dieser irgendwie zu ver-
mittelnden Objektivitäten mit dem Gefühle des Subjekts, einem Willen, irgendeiner
Art Stellungnahme, was die Sprache im Drama zur dramatischen macht. »Shouting
their emulation« sagt Coriolanus über den Pöbel. Bei Tieck lautet das: »Frech laut
u'id lauter jauchzend«; bei Viehoff: »und jauchzten um die Wette«. Gundolf hört
den ingrimmigen Adligen: »Und lassen ihren Eifer los«.

Der Unterschied einer Bildungssprache, einer Sprache aus zweiter Hand und
einer echten dramatischen wird in Kleinigkeiten deutlich. »Bestürm das Ohr mit
rauschender Musik« sagt Enobarbus. Wer das Original nicht kennt, muß Shakespeare
gezwungen finden. Das Wort »bestürmen« Imperativisch, im Mund eines Soldaten
zu brauchen hat mit lebendigem Sprechen nichts zu tun. Shakespeare hat aber:
'"Make battery . . .-., und Gundolf übersetzt: »Mach Sturm auf unser Ohr! . . .« Im
Coriolanus heißt es irgendwo:/ am out — nämlich aus der Rolle, die er spielen
Rollte. Tieck: »ich bin verwirrt«. Das ist er; darum ist es noch nicht der drama-
tische Ausdruck, noch nicht die Brechung durch das Subjekt. Er interpretiert den
Charakter, er stellt ihn aber nicht dar. Die Metapher ist verloren gegangen. Gun-
dolf glückt es wörtlich zu sein: »Ich bin heraus .. .«

Diese Übersetzung beseelt zum Entzücken der Wille, Shakespeare zu geben und
nichts als ihn zu geben. Was für ein leidenschaftliches Tasten, was für ein Instinkt
m jedem Fall, wie hoch oder wie niedrig der Ton zu greifen sei! »O noble fellow«.
~~ bei den epigonischen Übersetzern muß das »edler Freund« heißen; hier heißt's:
* Kamerad«. »Masters*, zu den Handwerkern, die sich wichtig machen, gesagt:
^Freunde«; hier heißts: »Meisters«. Wie wunderschön ist nicht Volumnias: »my
°y Martins«, wo sie den Triumphator zurückerwartet; wie leer durch »mein Sohn«
gegeben! Bei Gundolf heißt's: »Mein Junge Marcius«. Oder wenn sie den Ver-
stockten rüttelt: »s/r, str, sir«. Die Epigonen haben: »Sohn, Sohn...«. Gundolf:
-Mann, Mann . . .«. Wer den Abschied des sterbenden Antonius nur aus den land-
aufigen Übersetzungen kennt, muß ihn ein wenig wehleidig finden; eigentlich ganz
ne Person darin. »Nein, Freunde, schmückt das arge Schicksal nicht Mit eurer
auer . . .« in unserni Shakespeare ist's wieder Antonius; und man spürt noch den
ann, großartig und mit Laune, um unzählige ägyptische Wundernächte anzufüllen.
"Nein, gute Burschen, macht dem bittern Schicksal Nicht Spaß mit eurem Kummer.«
Willen zum Shakespeare. Er hört jeder Metapher an, was sie an Seele auszu-
rücken hat. Er verfängt sich nicht im Oberflächlichen, sondern bohrt nach der
'gentlichen Meinung. Für die moralische Erregtheit, in die das epigonische Wort
0 'eicht verfällt, gibt er die sachliche Innerlichkeit Shakespeares. Er läßt sich nicht
°m Metrischen nehmen, sondern bleibt sein Herr. Der Vers wird so gedrungen
p.le der originale. Hier wird in den Euphrat gegriffen, und unter der mächtigen
. 'ngebung Shakespeares vollzieht sich Wortbildung, wo die Sprache noch flüssig
IS " Und nirgends ist ins bloß Beinahe-Richtige, ins bloß Anklingende ausgebogen.
'Movers-.: sagt Coriolanus von den Soldaten, die sich ans Plündern machen. Die
^dern übersetzen: Trödler. Unser Übersetzer fühlt die verbale Eigenschaft des
ortes und produziert sie im Deutschen: »Die Rührigen«. Dahinein kann sich erst
ne ganze leidenschaftliche Verachtung legen. Es beschwört sozusagen eine Mimik,
e das Ding innerlich nachmacht, und, wie sie es nachmacht, verekelt.

'eh spreche nicht davon, daß unsere Übersetzung an Stellen, wo man über den
 
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