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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0126

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122 BESPRECHUNGEN.

nellen Zwecken, als Raumschieber, zur Herstellung des koloristischen Gleichgewichts
und schließlich zur Erhöhung der Farbigkeit.

Solchen Aufgaben dient auch der Hintergrund. Auch er hat aber vornehmlich
der Charakteristik zu dienen, indem er den Porträtierten im Räume zeigt, gedrückt,
beengt oder frei und beweglich. Ist er leer, so nennt ihn Waetzoldt neutral, ist er
irgendwie gefüllt, positiv. Mit Rücksicht auf seine räumliche Bedeutung ergeben
sich vier Kombinationen. Der neutrale flächenhafte Hintergrund liegt dann vor,
wenn der Künstler eine hinter dem Porträtierten befindliche leere Fläche darstellen
sollte oder wir zu einer solchen Auffassung gedrängt werden; die rein flächenhafte
Behandlung des Hintergrundes führt dazu, daß wir seine Leerheit als eine solche
räumlicher Natur deuten, die Gestalt gewissermaßen aus einem farbigen Nebel
heraustauchend (neutraler räumlicher Hintergrund). Wird die neutrale Hintergrund-
fläche ornamentiert, so erhält sie positiven Charakter (Gold- und Tapetengrund).
Die Diskrepanz, die der Beschauer beim neutralen räumlichen Hintergrund zwischen
der Unwirklichkeit des Raumes und der Wirklichkeit des Menschen verspürt, findet
ihre Lösung im positiven räumlichen Hintergrund, wie ihn z. B. ein Interieur, eine
Landschaft abgibt. Er muß derselben Sehsphäre angehören, wie der Mensch, der
vor ihm steht, aber er muß weniger scharf gesehen werden, soll die einheitliche
Bildwirkung nicht gefährdet werden. Diese Art des Hintergrundes enthält Motive,
die leicht zur Verselbständigung drängen, das Interieur und die Landschaft, und
die dann das Porträt als nebensächlich erscheinen lassen.

Die Aufgabe des Porträtisten kompliziert sich, sobald das Porträt nicht eine,
sondern mehrere Personen darzustellen hat. Formal besteht sie in der Kunst der
Zusammenordnung, psychologisch in der der Beziehungsdarstellung, aber für gleich-
berechtigte Darstellungsobjekte. Die Mitporträtierten können einer Person nicht so
untergeordnet werden, wie die tote Umgebung, und den Verkehr von Personen im
Gruppenbild darzustellen ist eine andere Sache, als Beziehungen zum Milieu zu ver-
anschaulichen.

Die Enge und die monarchische Einrichtung des Bewußtseins begründet das
Prinzip der Einheit in der Mannigfaltigkeit. Dieses enthält nicht nur die Notwendigkeit
der Einheitlichkeit, sondern auch die der Differenzierung innerhalb dieser Einheitlich-
keit. Verbindet ein gemeinsamer Zweck, eine gemeinsame Stimmung die verschiede-
nen Persönlichkeiten eines Gruppenbildes, so muß zur vollen ästhetischen Wirkung
auch eine individuelle Abstufung der allgemeinen »Empfindung« bewerkstelligt werden.

Die Einheit hat der Künstler durch eine »starke optische Bindung aller Elemente«
herzustellen, dem (koloristischen) Differenzierungsbedürfnisse kommt die Abgestuft-
heit der Inhalte unseres natürlichen Gesichtsbildes entgegen. Nun stellt aber das
Porträt als solches noch Forderungen, die dem Prinzip des Gruppenbildes direkt
widerstreiten, denn das Gruppenporträt duldet keine Statisten.

In diesem Dilemma sondern sich die Standpunkte des Modells, des Künstlers
und des Betrachters. Jedes der Modelle beansprucht, als Auftraggeber, mit den
anderen gleich behandelt zu sein, dem Künstler sind die Modelle hingegen ungleich-
wertig, er drängt auf Subordination, der Beschauer verlangt nach einer Vorstellungs-
einheit, die durch Kausalbeziehungen zwischen den Gestalten geleistet wird. Es
werden also einerseits Momente einer äußeren, andrerseits einer inneren Bildeinheit
verlangt. Hat die erstere das Übergewicht, so nähert man sich einer Mehrheit von
Einzelporträts, im anderen Fall dem Genrebilde. Die Aufgabe des Künstlers ist es
nicht, sich für die eine oder andere Einheit zu entscheiden, vielmehr auf die innere die
äußere aufzubauen. Diese wird bis zu einem gewissen Grade immer das Ziel bleiben.

Die Lösungen des Dilemmas behandelt Waetzoldt zuerst am Doppelporträt, dann
 
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