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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0128

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124 BESPRECHUNGEN.

welche Preise Kunstgegenstände und kunstgewerbliche Seltenheiten im Lauf der
Zeit erreicht haben — das Orundmotiv für das lukrative Gewerbe der Fälscher.
Das zweite Kapitel durchwandert das Gebiet der Fälschungen und gibt Aufschluß
über die verschiedenen Zweige der Fälschertätigkeit. Weiter hört man von den
Künsten, deren die Fälscher oft so erfolgreich sich bedienen, man erhält Einblick
in die Kniffe der Händler, zum Schluß fallen ein paar Streiflichter auf die Eigen-
schaften und Launen der Sammler. Leider hat es der Verfasser unterlassen, seine
vorwiegend kompilierende Arbeit über gelegentliche Andeutungen hinaus durch eine
grundsätzliche Betrachtung zu vertiefen.

Es sei darum erlaubt, ein paar allgemeine Gesichtspunkte hier zur Sprache zu
bringen. Die Zersetzung einheitlichen Kulturbodens durch die Entstehung des
Kapitalismus im 19. Jahrhundert wird in besonderer Weise augenfällig durch das
Aufblühen des Fälschertums. Große Privatvermögen kommen zusammen. Die
Launen und Liebhabereien der Besitzer verlangen nach Betätigung. Neben anderen
Sports bietet sich das Sammeln von Wertobjekten und Seltenheiten dar. Der Besitz
des Einzigartigen, das in Werken der Kunst handgreiflich ist, gibt dem Reichtum
ein besonders glänzendes Relief. Der Wettlauf nach dem Einzigartigen beginnt, die
Preise für erreichbare Kunstgegenstände schnellen in die Höhe. Der Markt er-
weitert sich, die Konjunktur lockt Abenteurer an, und da Reichtum in den seltensten
Fällen sich mit Sachkunde paart, ist Betrügern und Fälschern Tür und Tor geöffnet.

Der Schaden, den Fälschungen anrichten können, ist indessen verhältnismäßig
gering. Die Öffentlichkeit und ihre berufene Vertreterin, die Wissenschaft, deren
Überblick beständig wächst und deren Untersuchungsmethoden sich immer mehr
verfeinern, wird auf die Dauer nicht irregeführt. Beissel zitiert einen Ausspruch
des Vorsitzenden der Berliner Kunstgeschichtlichen Gesellschaft Dr. Lippmann: »Nach
zehn bis zwanzig Jahren pflegt kein Sachverständiger mehr getäuscht zu werden.«
Viel mehr fällt dagegen der aus der oben skizzierten Entwicklung sich ergebende
Nachteil ins Gewicht, daß die öffentlichen Institute in den gesteigerten Wettbewerb
um die antiquarischen Kunstschätze mit hineingerissen werden und so die Sicher-
stellung der Bildungsmittel für die Allgemeinheit ihnen erschwert wird. Die Zer-
splitterung alten Kulturgutes können sie vielfach nicht hindern.

Zu beachten ist übrigens, daß der eigentliche Schädling oft nicht der Fälscher
selbst, sondern der Händler ist. Zahlreich sind die Fälle, in denen die Geschick-
lichkeit und Handfertigkeit armer Teufel von Kopisten durch den schlauen Direktor
der Sammelleidenschaften, den Händler, zum Zweck der Täuschung ausgebeutet
wird. Er sagt sich: Das Spatzenhirn nimmt gemalte Trauben für wirkliche. Es ist
nur billig, daß wir das Menschenhirn in die Lage versetzen, das nachgemachte
Kunstwerk für das vorgemachte zu halten. — Also von der Gewissenhaftigkeit und
Sachkunde des Händlers hängt die Bedienung seines Kundenkreises ab. Die Ver-
antwortung für das Fälscherwesen fällt auf den Kunst- und Antiquitätenhandel.
Aber doch nur zum Teil. Denn das Fälscherwesen ist schließlich nur das not-
wendige Korrelat zu der Fiktion, die in kunstfremden Zeiten den Sinn umnebelt,
daß die Einzigartigkeit des Kunstwerks in dem Komplex seiner materiellen Be-
dingungen, in seiner Handgreiflichkeit bestehe. Der Fälscher macht sich einfach
die Fiktion zu nutze: Für Handgreiflichkeit kann ich immer Rat schaffen, wenn's
denn schon einmal sein muß. Nebenbei sei noch eine besondere Folge jener Fiktion
angemerkt. Sie liegt in der Meiuung, als ob durch Restaurierung des verfallenden
materiellen Komplexes auch die Einzigartigkeit des Kunstwerkes erhalten werde.

Was bedeutet die ausschweifende Schätzung künstlerischer Dinge der Vergangen-
heit, die den Kunsthandel und seinen Schmarotzer, den Kunstschwindel, in Flor ge-
 
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