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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0130

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126 BESPRECHUNGEN.

Richtung einzustellen. Dies führt naturgemäß zu Ungerechtigkeiten gegen ab-
weichende künstlerische Ausdrucksformen, wofür auch Jaskulskis Schrift Belege
bietet, der zum Beispiel die Bedeutung von Marees ziemlich verkennt, da ihm dessen
»Symbolik« zu dunkel erscheint, als ob man überhaupt unter diesem Gesichtspunkt
dem Verständnis Mareesscher Werke näher rücken könnte. Aber unser Verfasser
hat eben den Wertmaßstab deutlicher Symbolik, der sich immerhin bei Böcklin be-
währt, aber dort völlig versagt, wo der Hauptton ganz wo anders liegt. Wie würde
wohl Jaskulski etwa Leibl einschätzen, dessen künstlerische Kraft der Böcklins sicher-
lich nicht nachsteht! Daher rührt ja der reaktionäre Sinn so vieler Kunstforscher,
daß sie einseitig einer Richtung sich in die Arme werfen und ihr alle ästhetischen
Formeln und Wertmaßstäbe entnehmen, statt feinfühlig überallhin zu horchen, wo
künstlerisches Leben sich regt, sei es in noch so neuer Gestaltung, wenn nur die
Gestaltung geglückt ist und die im Kunstwerk schlummernden Gewalten zum Aus-
druck bringt. * Das wäre wohl in Kürze, was ich prinzipiell gegen die vorliegende
Schrift einzuwenden hätte.

Viel Neues bringt Jaskulski nicht; das lag wohl auch außerhalb seiner Absicht,
die anscheinend darauf ausging, eine Einführung in die Welt Böcklinscher Kunst
zu bieten. Und da ist ihm manches recht geglückt; sicherlich versteht er anzuregen
und den Leser zu interessieren. Nur hätte er öfter gleichsam näher an die Bilder
heranrücken müssen, wie er es ja auch hie und da mit Erfolg versucht, etwa an
folgender Stelle: »Zur schwermütigen Ruhe der bei Betrachtung ihres Spiegelbildes
aller Welt vergessenden ,Melancholie' (1900) gesellt sich der dunkle Ton der Mar-
morbank als Stimmungsträger, und in der Darstellung desselben Motivs auf dem
Bildnisse der Frau Kopf (1879) ist es der schwarze Schleier, der sich als begleiten-
der Akkord miteinfindet. Die Säule, welche auf dem bekannten Selbstporträt des
Meisters hinter dem Kopfe aufragt, verstärkt den weihevollen Ernst des dichterisch
verklärten Antlitzes und steigert ihn zum Monumentalen.« Nur wenn wir in die
Werke selbst eingehen, und zwar nicht nur beschreibend, sondern uns zu zeigen
bemühen, wo die Wirkungsakzente liegen und inwiefern sie einen notwendigen Bau
darstellen, in dem jeder Teil den anderen hebt, lehren wir in der Tat künstlerisch
sehen und auffassen.

Gerade weil uns Böcklins Kunst nahe, sehr nahe steht, müssen wir uns da-
gegen wehren, daß sein Name zu einem Programm benützt wird, das sich in seiner
Unduldsamkeit gegen jede andere Kunst kehrt. Und gerade weil wir Böcklin so
sehr lieben, schmerzt es uns, wenn wir sehen, wie man ihn stolz zu den Aller-
größten der Kunst rechnet; denn dadurch wird erst der große Abstand offenbar,
der ihn von jenen Höhen trennt.

Prag. Emil Utitz.

Rudolf Czapek, Die neue Malerei. Eine Kulturstudie. (Kunst und Kultur.
Einzelarbeiten zur Einführung in das Verständnis unserer Zeit, herausgegeben
von Prof. Dr. W. von Öttingen. Band 2. Stuttgart, Verlag von Strecker &
Schröder, 1909.) 97 S.
Die kleine Schrift gehört zur Sorte derer, die man ohne Not auch entbehren
kann. Denn das Wesentliche hat der Verfasser selbst schon in seinen an dieser
Stelle dankbar gewürdigten »Grundproblemen der Malerei« gesagt. »Gedanken-
skizzen allgemeinster Richtung« (S. 23) nennt er seine neuerlichen Ausführungen.
Wo er mit der Stange im Nebel allgemeiner Kulturbetrachtung herumfährt, wirkt
er nicht gerade erfreulich; erst wo er sich wieder auf den festen Boden seiner
Kunst, der Malerei, stellt, haben die Erörterungen auch wieder Hand und Fuß.
 
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