Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0295

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN. 291

sowohl Ergebnis erworbener Kenntnisse und Erfahrungen als Produkt schöpferischer
Einbildungskraft. Mit Recht weist jedoch Pflaum darauf hin, daß sie nicht durch-
weg zu klarer Vorstellung über das Verhältnis des Bewußten und Unbewußten im
Schaffensprozeß gelangten. Theoretisch wie praktisch verwechselten sie jeweilig
die Funktionen der Phantasie und des Verstandes, wodurch zwitterhafte Gebilde
entstanden wie Tiecks Märchen und Märchendramen und Novalis' in Allegorien
verwandelte Märchen. Richtiger als ihre Vorgänger erfaßten die Romantiker da-
gegen das Wesen der Lyrik, der sie das Gebiet der Gefühle und Stimmungen zu-
wiesen. Geht Pflaum auch zu weit, wenn er behauptet, die vorromantische Lyrik
sei kaum etwas anderes als gereimte Betrachtung gewesen, so muß man doch mit
ihm den Romantikern das Verdienst zuerkennen, die Dichtung ausgiebiger, als bis
dahin geschehen war, zum Ausdruck des sensitiven Innenlebens erhoben zu haben,
efiihle und Stimmungen sollten indessen — so schwebte es ihnen als Ideal vor —
nicht nur Einzeldeutung besitzen, sondern als Symbole gefaßt auch allgemeinere
Geltung gewinnen. Damit erwuchsen der Wortkunst neue Aufgaben, und in rich-
'ger Schätzung, daß Musik für die Wiedergabe verwickelter Seelenvorgänge das
aquatere Darstellungsmittel sei, versuchten sie mit Hilfe von Assonanzen, Allite-
a tonen und freien Rhythmen die Sprache dem Reich der Töne zu nähern. Natür-
e Folge war, daß man die festen Grenzen zwischen den verschiedenen Künsten
Sinnesgebieten nicht mehr anerkennen wollte, wie denn auch aus dem Kreise
r Romantik — man denke an E. Th. A. Hoffmann — die ersten Synoptiker der
"nesempfindungen hervorgegangen sind.

utm Bedürfnis nach Einheit entsprang ferner das romantische Argument, daß

Kunst in höchster Vollendung eins sei mit der Wissenschaft, daß alle Kunst

senschaft werdeii solle und alle Wissenschaft Kunst. Wissenschaft galt den

antikern aber hier als gleichbedeutend mit Philosophie, und diese schloß wieder

gion und Sittlichkeit ein. Auf die Frage, was »die kalte Erhabenheit dieser

>rv Senscnaft mit Dichtung zu tun: habe, erteilt Hölderlin im Hyperion die Antwort:

Dichtung, sagt' ich, meiner Sach' gewiß, ist der Anfang und das Ende dieser

senschaft. Wie Minerva aus Jupiters Haupt, entspringt sie aus der Dichtung

s unendlichen, göttlichen Seins. Und so läuft am End' auch wieder in ihr das

reinbare in der geheimnisvollen Quelle der Dichtung zusammen.«

rolickt der philosophisch veranlagte Hölderlin mithin in der Dichtung den

g , l„ 8 und Abschluß der Metaphysik, so war sie dem Salinenbeamten Novalis der

sei zum Verständnis der physikalischen Geheimnisse des Erdinneren,
der (vi 6 ^omant'ker sahen jedoch in der Poesie ein Lebenszentrum, eine Urkraft
in N e". ne'*> deren Gestaltung ihnen daher von höchster Bedeutung erschien.
Indiv°Valls' These: »Dichten heißt Zeugen. Alles Gedichtete muß ein lebendiges
n'sch' UUm Sei" er,<ennt Pf'aum ein Dreifaches: 1. Das Dichten ist ein schöpfe-
ejn , *; 2- Eine Dichtung ist eine organische Einheit. 3. Eine Dichtung ist

diese . '£eS- ^on Interesse ist sein Nachweis, wie nahe die Romantiker mit
Be£jr'ff h" ung unserer heutigen kamen. Keineswegs sei z. B. der romantische
modp Cr nan*as'e e'n überschwenglicher gewesen, vielmehr mit dem Standpunkt
daß ]<•■ 6r sych°'°gie durchaus vereinbar. Anderseits hätte der jetzige Anspruch,
alle T .. nscne Erzeugnisse schön sein sollten, eigentlich nur die Bedeutung, daß
Dicht 6 mite'nar|der eine organische Einheit bilden müßten. Die Forderung, eine
weil- ^ S° e'n Lebendiges sein, wird aber dahin interpretiert, daß jedes Dicht-
QefiH 1 er Anteilnahme des Lebendigsten in uns entstehen müsse, nämlich des
bar«,, o- Und daß es in Inhalt wie Form Elemente enthalte, die sich dem unmittel-
" Innenleben anschließen.
 
Annotationen