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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0297

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BESPRECHUNGEN. 203

man seit dem 16. Jahrhundert alle Kunst mit südlichem Maßstab gemessen und ent-
sprechend gewertet hat. Daher das besonders lange und besonders starke Nicht-
verstehen der beiden größten bildenden Künstler des Nordens, Rembrandt und
Grunewald.«

Die für Wert und Wertunterschied entscheidenden, objektiven Merkmale sind
nun nach Bock die ^Lebendigkeit (d. h. der Grad der Illusionskraft), die schöpferische
Selbständigkeit und das rein künstlerische Können«. Mancherlei Bedenken müssen
&egen einen Kritiker sich erheben, der so den Künstler statt des Werkes in den
Vordergrund schiebt. In erster Linie kommt doch sicherlich der ästhetische Ein-
druck, das künstlerische Erlebnis in Betracht; und der Forscher mag dann unter-
suchen, durch welche Mittel dieser Erfolg erzielt wurde. In die Reihe dieser Mittel
gehören nun einerseits die »Lebendigkeit?, anderseits das Können des Künstlers,
seine Selbständigkeit usw. Aber mit der »Lebendigkeit« allein ist noch nicht viel
getan, mag sich auch durch sie ein sehr großes, selbständiges Können aussprechen,
wenn gehaltliche und formale Werte fehlen, wenn die Komposition zerrissen ist usw.
ock hält sich nun natürlich selbst nicht an seine drei Wertkennzeichen, wenn er
^uch glaubt, »alle ganz großen Künstler sind darin einig, daß sie sich jeden anderen
aßstab mit Recht verbitten. Auch Grünewald ist solch ein ganz Großer«.

rünf Jahrhunderte lang ward Grünewald verkannt und verhöhnt, mit einer ein-

'gen Unterbrechung im 17. Jahrhundert. In den letzten Jahren trat aber ein Um-

Wung e'n> so daß heute bereits von einer Grünewaldgemeinde gesprochen werden

'Un, so daß es fast Mode ist, vom Isenheimer Altar zu schwärmen. Sicherlich

"et der Isenheimer Altar den Höhepunkt in Grünewalds Schaffen, seine groß-

'gste Leistung. Und hier hat unser Verfasser zum Teil sehr kraftvolle Bild-

cnreibungen geboten, von denen ich nur eine kleine Probe geben will: Grüne-

a|d »malt eine großzügige Phantasielandschaft voll geheimer Schauder des Dunklen,

r zu Ahnenden, wie sie nur das nordische Klima hervorbringt. Es ist Nacht und

ndschein. Unten leuchtet ein grüner Strom, dahinter matt schimmernde Berge in

bestimmten Umrissen. Es ist die ganze echte mondbeglänzte Zaubernacht der

mantik, denn Grünewald ist ein Romantiker durch und durch, wie Rembrandt,

eethoven und Wagner Romantiker sind. Hier hängt am rohen niedrigen Holze

r zerschundene Leichnam, bedeckt mit den Wunden der Geißelung, durch die

were des hängenden Körpers die Sehnen und Muskeln gezerrt, die Finger im

nipf gebogen, das Haupt im Tode auf die Seite gesunken, der offene Mund im

en Seufzer erstarrt. Eine wilde, große Dornenkrone, ein zerfetztes Lendentuch.

bl ZUm ^donis umgefälschte Christus einer heidnischen Kultur, nicht der

ose Schemen schwächlicher Ästheten, sondern der Christus der Wahrheit

m f ' ' um die höchsten religiösen Fragen ringenden Deutschen der Refor-

"szeit«. »Es ist eine rein malerische Komposition. Das milde, bleiche Licht

reS, er H°he macht den Akt zum Zentrum, Massen von Weiß und Rot halten sich

^ s urid links die Wage, gebrochene Töne vermitteln. Große, einfache Farben-

Ze't ' aber n'crits menr von der primitiven Lokalfarbenbuntheit aller deutschen

Hein6"0556" mit Durer an der Spitze, lauter Farbenvaleurs, bestimmt durch die

Un 1 "nl<elatmosPhäre des Ganzen. Dabei ein Helldunkel in feinster Abstufung

reichster farbiger Modulation.«
^ en Grundgedanken des Werkes bildet die Überzeugung, daß Grünewald aus
wj n°rd'schen Spätgotik selbständig und organisch den nordischen Barockstil ent-
Un . e }m bewußten und entschiedenen Gegensatz zur italienischen Renaissance
h zu '"rer Nachahmung, dem >niederländisch-deutschen Italismus des 16. Jahr-
rs«. Während rings um Grünewald alle, Baumeister, Bildhauer, Maler usw.,
 
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