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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0304

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300 BESPRECHUNGEN.

das für große Flächen hervorragend geeignet ist, führte wiederum zur Unnatur, so-
bald es auf den kleinen Hausgarten übertragen wurde, den wir noch heute bis-
weilen in der bekannten gräßlichen Weise auf winziger Fläche Naturnachahmung
treiben sehen. Die Lehren der Geschichte suchen wir heute in der Praxis zu ver-
werten , und zwar befolgen wir bei dem mit dem Hause in Verbindung stehenden
Garten das geometrische Prinzip unter Vermeidung der aus der Geschichte bekannten
Ausartungen, in weiterer Umgebung des Hauses für große Anlagen das Landschafts-
prinzip unter Vermeidung der Torheiten des romantisch-sentimentalen Gartens, aber
mit der Einschränkung, daß in wenig abwechslungsreichen Gegenden von der bloßen
Darbietung der idealisierten Landschaft abgesehen, vielmehr die Architektur zu Hilfe
gerufen wird. Für alle Einzelheiten, die durch die Abbildungen zweckmäßig
und anmutig erläutert werden, genügt es an dieser Stelle, auf das Buch selbst zu
verweisen.

Die Arbeit bietet indes so reichliches und dankenswertes Material zu allge-
meineren kunstwissenschaftlichen Betrachtungen, daß ich sie am besten zu wür-
digen glaube, indem ich eine Frage herausgreife, um sie mit kurzen Hinweisen auf
entsprechende Ausführungen des Verfassers etwas näher zu beleuchten, und zwar
die Frage, welche Stellung der Gartenkunst im System der Künste anzuweisen ist,
oder ob man überhaupt von einer Gartenkunst als einer selbständigen Kunstart
sprechen kann. Nach der Einleitung »ist unter Gartenkunst nicht die Arbeit des
Gärtners zu verstehen, der Blumen, Sträucher und Bäume zieht und pflanzt, sondern
diejenige unter den bildenden Künsten ist gemeint, die den Garten als Ganzes ge-
nommen nach bestimmten künstlerischen Grundsätzen, nach ästhetischen Gesetzen
formt. Nicht von dem Material wird die Rede sein, aus dem der Garten besteht,
oder doch nur nebenbei, sondern von den wechselnden Formen, die der Garten-
künstler mit Hilfe des Materials bildete, und von den wechselnden Gesetzen, nach
denen er sich in den verschiedenen Ländern und im Wechsel des Geschmackes
richtete^. Wenn ich nun davon ausgehe, daß mir die allgemeine Formulierung in
diesem Punkte nicht ganz korrekt oder nicht klar genug zu sein scheint, so möchte
ich hinzufügen, daß der Wert des Ganzen als einer im wesentlichen geschichtlichen
Darstellung dadurch nicht herabgesetzt werden kann, möchte vielmehr als Schluß-
wort gleich vorwegnehmen, daß ich durch diese kleine Verschiebung der Basis der
Erörterung dem Leser dieser Zeitschrift nur vor Augen führen will, unter welchen
Gesichtspunkten etwa die Lektüre des Buches ihm einen größeren Ertrag liefern
kann, als es nach dem bloßen Titel den Anschein haben könnte.

Betrachten wir eine Gartenanlage wie die von Professor Läuger in der Garten-
bauausstellung in Mannheim 1907 (Abb. S. 93), so sehen wir hier ein sehr kompli-
ziertes Produkt künstlerischer Tätigkeit vor uns. Ist dieser Garten nun wirklich das
Produkt einer besonderen Gartenkunst, und kann man hier überhaupt von einer
Gartenkunst im strengen Sinne sprechen? Alle die Wege und Plätze mit ihrem
verschiedenartig gemusterten und wahrscheinlich auch gefärbten Pflaster, die Bänke,
die Mauern und Gitter, die Pfeiler und Stufen, die Hallen und Lauben, das Becken
mit der Quelle, das alles sind doch Werke der Raumkunst und im engeren Sinne
der Architektur, die hier unter freiem Himmel ihre Reize entfaltet hat, und wie uns
die anderen Beispiele des Buches lehren, gehören dahin die Terrassen, Kaskaden,
Springbrunnen, Tempel, Grabdenkmäler, Urnen, Sonnenuhren und was alles dem
Charakter der Zeit und des Landes entsprechend im geschichtlichen Verlauf der
Dinge als zum Garten gehörig erachtet worden ist. Was würde nun übrig bleiben?
Das Pflanzenmaterial, das im großen und ganzen hingenommen werden muß, wie
die Natur es bietet. Damit kommen wir zu einem weiteren Moment: der Abhängig-
 
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