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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Schmarsow, August: Anfangsgründe jeder Ornamentik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0354

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350 AUGUST SCHMARSOW.

Ein Tongefäß mit echter Schnurverzierung aus einem Steinkisten-
grabe, bei Klopffleisch, Vorgeschichtliche Altertümer der Provinz Sachsen,
trägt zwei Henkel zum Durchziehen eines Strickes auf den Seiten, ganz
schlicht, aber symmetrisch einander gegenübergestellt. So pflanzt sich
der weitbauchige Behälter in voller Breite vor uns hin. Und nicht am
glatten Unterteil, sondern erst über diesen Henkeln liegen die sechs
Streifen aus je drei parallelen Schnüren in gleichen Abständen über-
einander bis zum Hals empor, mehr wie ein Schmuck der Frauenbüste
denn als zweckdienliche Mittel festeren Zusammenhalts anzuschauen,
und kaum anders schon ursprünglich gedacht (vgl. Abbildung nach
G. Schwantes, Aus Deutschlands Urgeschichte S. 54). Wie zwei
Halsbänder liegen die beiden Reihen eingetiefter Rillen mit hängenden
Dreieckspitzen daran unter dem Halsansatz einer Urne mit Henkel
hinten, aus Ton gebildet (bei Naue, Die Bronzezeit in Oberbayern, vgl.
Schwantes a. a. O. S. 107). Sind diese Teile der Ornamentik nicht
anders vorstellbar denn als Hängeschmuck, der hier mit keramischen
Mitteln wiedergegeben wird, so gewinnt die eingegrabene, aus drei-
fachen Parallellinien zusammengesetzte Zickzackkante um den Bauch
herum ganz anderen Charakter: sie ist eingegraben wie Ritztätowie-
rung und bietet dem Auge ein Bewegungsmotiv von so schneller
Abfolge der auf- und absteigenden Einschnitte dar, daß die schwer-
fällige Gesamtform sich in lebhaften Rhythmus verwandelt, wie unter
der Festlaune, die schon das Flittergehänge der Brustketten mit sich
bringt.

Die einfachsten Gefäße aus der Steinzeit bezeugen die Kenntnis
der Reizmittel und die bewußte Verwendung in verschiedenem Sinne,
wie wir sie dargelegt. Ein glockenförmiger Topf aus den Pyrenäen x)
hat sieben oder acht Bandstreifen in ziemlich regelmäßigen Abständen
vom Boden bis an den Halsrand; mit feinen Punktreihen gesäumt
enthalten diese Bänder nur dichtgedrängte schräge Linien, aber ihre
Neigung wechselt in regelmäßiger Wiederkehr ab, so daß unser
Auge den Umlauf der einen nur von rechts nach links, der andern
nur umgekehrt von links nach rechts vollziehen kann. Auf einem
anderen solchen Gefäße aus England2) wechseln Kanten mit verti-
kalen Parallelstrichen und solche mit horizontalen Bindestrichen um
den Leib, während am Ansatz des Halses die Zickzacklinie und
schräglaufende Lagen, wie beim vorigen, abwechselnd in der Richtung,
aber in ununterbrochener Folge gehäuft sind, bis zum Abschluß, dessen
innerer Rand die wohlbekannten Schlingmotive der Korbflechterei er-

') Nach Cartailhac, Ages prehistoriques de L'Espagne bei Sophus Müller, Nor-
dische Altertumskunde, Straßburg, Trübner 1S97, I, Fig. 100.

;) Nach Greenwell, British Barrows bei Sophus Müller a. a. O. Fig. 99.
 
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