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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Rahmende Motive in Gartenkunst und Städtebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0447

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BEMERKUNGEN. 443

Und es ist, als sei innerhalb eines solchen Gitters nicht der gewöhnliche, von allen
benutzbare Raum da, sondern ein mehr idealer, für den kunstvollen Bau und seine
kultivierten Bewohner vorbehaltener, ausgespart, als schnitte das Gitter eine kunst-
artige Sphäre aus der Natur heraus und gäbe so dem Bauwerk eine verwandte
Umgebung. Auch einfache kleine Wohnhäuser können dadurch einen umfriedeten
Charakter bekommen — »my house is my Castle-. Ebenso wirkt eine Reihe hoher
Prellsteine, die vielleicht mit Ketten verbunden werden wie am Berliner Zeughaus;
oder durch eine Vorgarteneinfassung, sofern diese als noch zum Haus gehörig
empfunden und nicht bloß auf den Garten davor bezogen wird, — also z. B. bei
steinernen Pfeilern zwischen dem Gitterwerk, die im Vergleich mit dem Bau noch
einigermaßen kräftig sind, oder bei hohen und schweren Gittern; zartere werden
eher dem Garten allein zugerechnet, das richtet sich nach ihrer schützenden Kraft.

Ein friedsames Air erhalten umhegte Grabstätten auf Friedhöfen. Nicht bloß
dem Hügel kommt man nicht zu nahe, auch in seiner Umgebung wird eine sakro-
sankte Zone geschaffen, wo man sich ohnedies ja immer scheut, fest aufzutreten.
Das Grab bekommt durch irgendsolche Umzirkung eine Geferntheit, einen ästhe-
tischen Zug, den es auch durch Ausschmückung häufig besitzt, erscheint also fast
wie etwas, das nur zum Sehen da wäre, nicht zum Berühren, somit auch allem
Unwirklichen, Entrückten, Vergangenen und Verklärten verwandter und ebenso
wertvoll wie dieses; welch reiches rahmendes Gitterwerk haben die gotischen Sarko-
phage um sich und vor diesem oft noch ein Geländer; als läge der Tote nun ruhiger
und befriedet in dieser Einfriedigung und dauernder an seiner Stätte, zugleich in
geweihter, nicht so gewöhnlicher Erde. Der Tod ist ja selber etwas anderes als
überall im Leben zu finden ist. Zumal aber bei dem »gedrängten Meer unzähliger
Gräberwogen« auf einem Kirchhof, da ist solche behütende Isolierung des einzelnen
Grabes erwünscht; wie man denn neuerdings einige, etwa 10—12, Grabstätten zu
kleineren abgeschlossenen Gruppen, in Rondels und dergleichen, zusammennehmen
und so mehr Ruhe gewinnen will. Mit den eigenen Mitteln der Gartenkunst, ihrem
sanften, erfreuenden, lebenden Material ist all diese Verwahrung glücklich zu er-
reichen. Daß gerade hier jene harten, plumpen, stacheligen und noch dazu schwarz-
lackierten Gußeisenketten förmlich zu verfluchen sind, die den Angehörigen zurück-
stoßen und in ihrer trostlosen Kälte dem Tode selber scheinen ähneln zu wollen,
brauch' ich nicht erst zu sagen. Endlich dem ganzen Kirchhof mit seiner Holz-
umgatterung oder Mauer, den Busch- und Baumsäumen, eignet Stille und Abge-
schiedenheit, die ihm noch mehr, als jedem Garten schon, wohl ansteht.

Das Wesen des Gartens nun ist ja ganz eigentlich das -Gehege«, in jeder
weise werden seine Kulturen gehegt, auch dem Wilde und dem Fuß des achtlosen
Wanderers entzogen. Und wenn wir den Garten mit seinem entfernten Verwandten,
dem Walde, vergleichen, so ist auch für den Menschen, für den er da ist, die Ab-
geschlossenheit und Beruhigung das Erquickliche an ihm. Nicht nur sein Eigen-
tümer will sich da so gut wie im Hause zu Hause fühlen, sondern jeden Benutzer
erfreut die ungestörte, oft auch von außen ungesehene Behaglichkeit.

In Laurins >kleinem Rosengartens: heißt es:

>Dabei ein schönes Gärtelein,
Darumb gehet ein seiden Faden.«

Ja, dieser Faden schon markiert ästhetisch in der Tat sehr fein und beinahe

genügend eine Markscheide und eine wohl verwahrte Sphäre. Welcher Unterschied

eben gegen den »wilden Tann« des Mittelalters, wo einem allerlei passieren konnte.

~~ Dann aber ist der Garten auch menschliche Arbeit und bedarf, zumal als Kunst,

es Schutzes, verdient ihn und ist ihm verwandt, hat denn auch fast stets eine
 
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