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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0464

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460 BEMERKUNGEN.

Schlußwort.

Von

Emil Utitz.

Es bedarf keines langen Schlußwortes. Wer meine Besprechung mit der Er-
widerung vergleicht, wird wohl erstaunt sein, warum Jaskulski die Schale seines
Zorns über mich ausschüttet, statt über seine verunglückte Schrift, die nicht dadurch
besser wird, daß er sie jetzt zum Teil — verleugnet. Denn die Tatsache bleibt
doch bestehen, daß Jaskulskis Ausführungen in dem Satze gipfeln, den ich hier
wörtlich wiedergebe: »Böcklin erhebt sich nicht nur über die Romantik, sondern
über alle Kunstrichtungen zur Größe einer vielleicht den ganzen Inhalt aller
künftigen Kunstprobleme umfassenden Kunstanschauung«. Diese These
habe ich in meiner Kritik bekämpft, und nicht ich habe die Lehren Jaskulskis miß-
verstanden, sondern dieser mißversteht unsere ganze moderne Kunstentwicklung.
Wenn heute jemand alle Großtaten des Impressionismus mit dem alten Schlagworte
»Augenblickskunst« einfach ablehnt, verwirkt er geradezu das Recht, mitzusprechen,
wo von neuer Kunst gehandelt wird. »Liebermann und Genossen« erwähnte ich
mit keiner Silbe, sondern gab der Meinung Ausdruck, daß Leibl an künstlerischer
Gestaltungskraft Böcklin sicherlich nicht nachstehe; und selbst ein Dilettant in
Kunstfragen sollte Leibl und Liebermann nicht verwechseln; übrigens scheue ich
mich nicht, zu erklären, daß ich auch Liebermann für einen bedeutenden Künstler
halte. Daß Jaskulski v. Marees geringer wertet, drückt nicht sein »ästhetisches
Gewissen«; er beruhigt sich mit der Berufung auf Böcklin, aber Künstlern räumen
wir ein Recht ein zu subjektiven, sachlich unbegründeten Schätzungen. Jaskulski
ist jedoch kein Künstler, sondern Wissenschaftler. Mit Jaskulski darüber zu streiten,
welcher Künstler in Zukunft der deutschen Kunst die Wege weisen wird, halte ich
für sehr müßig: jedenfalls wird die deutsche Kunst um so heller blühen, je mehr
Anregungen sie von allen Seiten her kraftvoll verarbeitet, und nicht, wenn sie blind
auf eine Fahne schwört, sei es auch auf das Banner, das Jaskulski stolz entrollt-
Er zieht auch Meier-Graefe in die Debatte; ich achte sehr diesen temperamentvollen
Kunstschriftsteller und bin mir seiner Verdienste bewußt; aber wer meine Be-
sprechung der Schrift von Jaskulski gelesen hat oder meine Aufsätze in Kunstzeit-
schriften kennt, wird wissen, daß ich nicht seinen Thesen über Böcklin Gefolgschaft
leiste, wie der Verfasser der Erwiderung anzunehmen scheint. Besonders hat ihn
der Vorwurf verdrossen, sein Buch könne zur »systematischen Vereklung« Böcklins
dienen in der Art, wie die Klassiker in den Gymnasien uns »nahe gebracht« werden.
Ich kann den Vorwurf leider nicht zurücknehmen: diese unduldsame, dogmatische,
national statt ästhetisch gerichtete Art von Kunstbetrieb ist ziemlich ungeeignet, in
jungen Herzen die wärmende Flamme echter Kunstfreude zu entzünden. Und wenn
Jaskulski mit seinen Schülern in dem Ton verkehrt, den er in seiner Erwiderung
mir gegenüber einzuschlagen beliebte, wird er ihnen wohl nicht nur Klassiker und
Kunst, sondern das ganze »Gymnasium« »verekeln«.
 
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