Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0480

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
476 BESPRECHUNGEN.

sammenhang selten nahebringt, sollte er in der rekonstruierenden Darstellung des
Historikers grundsätzlich betont werden. — Solche Dispositionsfehler — man kann
es kaum anders bezeichnen — sind dem ganzen Werke Venturis von Anfang an
verhängnisvoll geworden. Sechs Bände mäßigen Umfangs, die Zeit bis zur Gegen-
wart umfassend, verhieß die erste Ankündigung; nun, die Bände sind längst auf
die unbequeme Zahl von 1000 bis 1100 Seiten angewachsen, mit dem sechsten Bande
stehen wir erst beim Quattrocento, drei andere sollen noch folgen, und doch wird
das Ganze ein Torso bleiben und wiederum gerade vor dem Zeitalter der großen
Meister abbrechen. Verdient aber eine Geschichte der italienischen Kunst, in der
Michelangelo, Raffael, Tizian usw. nicht behandelt werden, noch diesen Namen?
Sie kann nur als eine Reihe sehr ausführlicher Monographien über einzelne Kunst-
gattungen in bestimmten Zeitaltern gewertet werden.

Diese Feststellungen sollen dem verdienten Autor nicht zu nahe treten, dessen
Beweggründe bei der Planänderung seines Werkes durchaus anzuerkennen sind: er
begann es als italienischer Patriot, er hat es als Forscher fortgesetzt, dessen Ge-
wissenhaftigkeit es nicht zuließ, aus der ungeheuren Fülle von Stoff, die die letzten
Jahrzehnte angehäuft haben, eine mehr oder minder subjektive Auswahl zu treffen.
Denn wirklich historisch begründete und innerlich abgerundete Gesamtbilder der
verschiedenen Epochen der italienischen Kunst zu geben, das mußte sich ein
Autor von dem Range Venturis sagen, ist trotz aller aufgehäuften Detailkenntnis
heute noch nicht möglich. Dazu fehlen die Voraussetzungen in der allgemeinen
Kunstgeschichte ebenso, wie sie — und vielleicht in noch höherem Grade — für
eine innerlich aufbauende Geschichte der deutschen oder der französischen Kunst
fehlen würden. — Das tritt vielleicht nirgends so deutlich hervor, wie in der vor-
liegenden Darstellung der Quattrocentoplastik, dem umfangreichsten aller bis-
herigen Bände Venturis: kein Wunder, denn hier handelt es sich um ein Lieblings-
gebiet der internationalen Kunstforschung seit einem Menschenalter. Aber wenn
wir nun die 1140 Seiten durchstudiert haben, steht dann dieser Abschnitt der
italienischen Kunst wirklich greifbar vor unseren Augen? Gewiß, einzelne Künstler-
persönlichkeiten und Schulen treten in der immer frischen und anregenden, mit
Geschick auch die Detailschilderung heranziehenden Darstellung Venturis mit ganz
neuer Lebendigkeit vor uns hin. Es sei in dieser Beziehung nur die auch durch
einige glückliche neue Zuschreibungen bemerkenswerte Charakteristik Jacopo della
Quercias hervorgehoben, oder das einleitende Kapitel mit seiner fesselnden Skiz-
zierung der Übergangsepoche vom Trecento zum Quattrocento, oder die Abschnitte
über lombardische und emilianische Plastik, wo sich Venturi ja auf seinem eigensten
Forschungsgebiete bewegt. Ganz besonders wichtig ist auch das umfangreiche
Kapitel über die D o n a t e 11 i a n i, aus deren Zahl Meister wie Isaia da Pisa,
Giovanni da Pisa, Antonio di Chelino, Andrea dalI' Aquila hier zum
ersten Male von schattenhafter Existenz zu greifbarer Gestaltung gebracht sind.
Allerdings fehlt es dabei im einzelnen auch nicht an Anlaß zu starkem Widerspruch.
So fällt insbesondere die Belastung Bertoldos mit einer ganzen Reihe von Stein-
arbeiten auf, obwohl seine Betätigung in diesem Material ganz unbezeugt und an
sich wenig wahrscheinlich ist; und im Gegensatz zu der Freigebigkeit, mit der hier
so viele verschiedenartige Werke einem Künstler von offenbar beschränkter Ent-
wicklungsmöglichkeit zugedacht werden, befremdet der strenge Skeptizismus, mit
dem Venturi dem Schaffen anderer Meister von stärkerer Expansionskraft gegen-
übersteht. Er macht sich zunächst bei Mino da Fiesole geltend, dem sämtliche
gewöhnlich als seine Jugendwerke angesehenen Porträtbüsten, wie derNiccolo Strozzi
und Alexo di Luca in Berlin u. a., gestrichen werden, wodurch allerdings das Mi"0'
 
Annotationen