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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Groos, Karl; Groos, Marie: Die akustischen Phänomene in der Lyrik Schillers
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0574

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570

KARL UND MARIE GROOS.

liehen; also z.B. »die Glocken weinen« oder umgekehrt
Eide donnern«. Wir kommen so zu folgendem Ergebnis:

> seine

Vom Nicht-stimmlichen zur Stimmäußerung .
Von der Stimmäußerung zum Nicht-stimmlichen
Andere Verschiebungen.........

Man erkennt sofort, daß die von uns unterschiedenen Verschie-
bungsarten in beiden Perioden weitaus die Mehrzahl aller geteilten
Fälle umfassen. Dabei nimmt, wie zu erwarten war, die beseelende
Verschiebung nach der Stimmäußerung hin dort wie hier den brei-
testen Raum ein. Aber auch der andere Weg wird recht häufig be-
gangen, und zwar besonders in der ersten Periode. Hierbei bewegt
sich also die Seele des Dichters in jenes Gebiet des Nicht-stimmlichen
hinüber, wo wir die relativ sichersten Anzeichen einer akustischen
Veranlagung zu finden glaubten, so daß wir damit noch einmal an
die so häufig berührte und doch nicht endgültig beantwortete Frage
erinnert werden: ist Schiller Akustiker gewesen1)?

J) In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß Schiller bei der Senil
rung von Lauras Klavierspiel überwiegend an Geräusche erinnert wird:
Rieseln der Fluten, des Donners Orgelton, das Rauschen des Gießbachs, das Saus
der Winde und das Schauernachtgeflüster toter Wüsten. Es ist bekannt, daß
viele Personen beim musikalischen Genießen vorwiegend in visuellen Vorstellung
ergehen. Das trifft in auffälliger Weise für manche Romantiker zu. Hierüber
scheint demnächst eine Gießener Dissertation von M. Katz, der die Musikscni
rungen von Schumann, Hoffmann und Tieck psychologisch-statistisch behandelt
Auch in dem Schillerschen Gedicht »Laura am Klavier« fehlt der Vergleich mit
Visuellen nicht: der Töne Zaubermacht strömt hervor, wie die Sonnen bei
Schöpfung funkelnd aus der Nacht des Chaos emporfuhren. Aber bei unse
Dichter überwiegt doch der Vergleich der Klänge mit den Geräuschen; das z
auch die »Macht des Gesanges«. — Ein schönes Beispiel lebhafter visueller
tasmen bietet Mörike in seiner Schilderung von Mozarts Klavierspiel: »wie
entlegenen Sternenkreisen fallen die Töne aus silbernen Posaunen, eiskalt, Mar
Seele durchschneidend, herunter durch die blaue Nacht«.
 
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