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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Luther, Bernhard: Die Tragik bei Ibsen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0576

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572 BERNHARD LUTHER.

nicht fehlt. Äußerlich betrachtet, sind auch die Helden auf Helge-
land leicht in Spiel und Gegenspiel zu zerlegen. Dringt man aber
tiefer ein, so gewahren wir schon in diesem Jugenddrama alles so
eng ineinander verflochten, daß die Scheidung unmöglich erscheint.
In Brand mag man im Vogt und im Propst ein Gegenspiel erkennen;
auch in der Wildente und Rosmersholm sind Spuren vorhanden, die
aber nicht von eigentlich tragischer Bedeutung sind]). Und wenn
wir auch den Begriff »Konflikt« im weitesten Sinne fassen, so wird
doch das Resultat nicht wesentlich anders; denn die führenden Per-
sonen in Ibsens Tragödien agieren nicht gegeneinander, sondern in
gleicher Richtung2).

2. Eine zweite Möglichkeit ist, daß Spiel und Gegenspiel vorhanden
ist, der Held aber keinem angehört, sondern durch den Konflikt der
feindlichen Kräfte zerrieben wird. So steht Rosmer zwischen den
Mächten des Beharrens (Kroll) und des Fortschritts (Brendel, Mortens-
gärd, Rebekka). Aber so wichtig dieser Konflikt für das Drama ist,
so leitet sich doch die Katastrophe nicht daraus her. Der Konflikt
ist hier eben ein dramatisches Motiv neben vielen anderen, aber
nicht das tragische Grundmotiv.

3. Der Held steht oder gerät in Konflikt mit einer sittlichen Macht,
etwa der Weltordnung, der Idee in Hebbels Sinne. Brand kann man
so auffassen. Er lädt danach die Schuld der Überhebung auf sich.
Ebenso Julian. Aber in Ibsens Lebenswerk eingereiht, ergibt sich
doch eine andere Auffassung; Ibsen strebt auch schon in diesen
Dramen danach, die Handlung in sich selbst abzuschließen und keine
Beziehung herzustellen zu Mächten, die auch außerhalb des Dramas
wirken und damit eigentlich inkommensurable Größen sind.

Auch bei Solneß und Borkman spielt das Motiv der Überhebung
hinein, ist aber unwesentlich. Ibsens Helden leiden nicht durch ihre
Überhebung, sondern an ihrer Schwäche.

4. Konflikt mit der Tradition. In diesen gerade für unsere Zeit
charakteristischen Konflikt ist Ibsen in Rosmersholm tief eingedrungen.
Aber Rosmer selbst steht nicht im Konflikt mit der Tradition, sondern
in ihm wird die Tradition im Widerspruch mit seinen theoretischen
Spekulationen mächtig.

5. Konflikt zwischen Mann und Weib, zwischen männlichem und
weiblichem Prinzip. Dieses Motiv kommt vor (besonders deutlich m

') Selbstverständlich finden sich in jeder Tragödie, auch bei Ibsen, einige Kon-
flikte. Für uns können hier aber nur solche Konflikte in Betracht kommen, auS
denen die Tragik erwächst.

2) Dagegen haben die Komödien Bund der Jugend und Volksfeind ausgC"
bildete Gegenspiele.
 
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