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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 1
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Stoltenberg, Hans Lorenz: Sinnen- und Übersinnenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0007

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Sinnen- und Übersinnenkunst1).

Von

Hans Lorenz Stoltenberg.

1.

Alles, was das Bewußtsein von Menschen und ihm ähnlich ge-
bildeten Lebewesen in den beiden Anschauformen der Zeit und des
Raumes durchzieht, kann man Merkungen nennen.

Unter diesen Merkungen sind zwei Klassen besonders zu beachten:
die — wesentlich auf die Außenwelt bezogenen, durch besondere
Sinneswerkzeuge veranlaßten — reinen Empfindungen und die
— mehr als Zustände des eigenen Ich erlebten — Fühlungen. Beide
Klassen lassen sich nun, wie die neuere Seellehre zeigt, in vollstän-
dige Ordnungsformen bringen — und zwar in die allerverschie-
densten. So gibt es z. B. eine Graugerade, einen Buntkreis, eine Ton-
höhenranke, einen Farbdoppelkegel2)', ein Geruchsprisma3) und ein
Geschmackstetraeder3). Aber nicht nur in diesen Ordnungsformen
lassen sich die Empfindungen — um zunächst einmal bei ihnen zu
bleiben — zusammenstellen. Es lassen sich vielmehr aus den Urstücken
dieser Grundordnungen noch zahllose andere Formen — der einfachen
Zeitreihe, des stehenden Raumes oder aber auch der Raumzeit (fürs
Ohr) und des Zeitraumes (fürs Auge) — bilden: und zwar die aller-
einfachsten, wie etwa das in gleichen Abständen erfolgende Schlagen
des Metronoms und das regelmäßige Aufblitzen eines Lichtes aus dem
Leuchtturm, oder die allerverwickeltsten, wie etwa das Tonspiel eines
großen Orchesters, und ein sich rhythmisch farblich und formlich4)
veränderndes Ornament. Solche Zusammengestelle sind nun den ge-

') Zugleich eine Antwort auf die Besprechung meines Buches »Reine Farb-
kunst«, die Frl. Dr. Calinich in dieser Zeitschrift (XV, 3) veröffentlicht hat. Die
»Antwort« war aber schon völlig fertig, ehe ich die Besprechung gelesen hatte.

2) Siehe vor allem W. Ostwald, Die Farbenfibel, Leipzig 1917.

') Siehe H. Henning, Der Geruch, Leipzig 1916.

■*) Zur Rechtfertigung dieser und anderer Wortneugebilde muß ich auf einen
kleinen Beitrag in der »Zeitschr. f. angewandte Psychol.« XV (1919), 5/6, 404-411
hinweisen: Neue Wortbildung, besonders in Anwendung auf die Seelkunde.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVI. 1
 
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