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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0125

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Besprechungen.

Hans Cornelius, Kunstpädagogik. Leitsätze für die Organisation der künst-
lerischen Erziehung. Mit 56 Zeichnungen und 55 Abbildungen. Erschienen
1920 bei Eugen Rentsch, Erlenbach-Zürich und München. 8°. 212 S.

Cornelius geht von der Voraussetzung aus, es sei eine der wichtigsten Er-
ziehungsaufgaben des Staates, künstlerische Kultur zum Gemeingut des ganzen
Volkes zu machen. Bisher haben sich die Urheber und Förderer künstlerischer Er-
ziehung »niemals Rechenschaft über die Gesetze gegeben, von welchen die Wirkung
der Gegenstände aufs Auge abhängt. Sie konnten deshalb keine allgemeingültigen
Richtlinien für ihre Bestrebungen gewinnen. Die künstlerische Erziehung hat nur
dann Aussicht auf allgemeinen und bleibenden Erfolg, wenn sie im Sinne jener
Gesetze ihre Maßnahmen auf allgemeingültige sachliche Maximen, statt auf persön-
liche Geschmacksurteile gründete Im Sommer 1914, kurz nach Kriegsausbruch,
erhielt nun Cornelius die Aufforderung, den Unterricht an den »Münchener Lehr-
werkstätten« — den früher von W. v. Debschitz begründeten und geleiteten »Werk-
stätten für freie und angewandte Kunst« — neu zu gestalten. Das Buch teilt die
Grundsätze mit, welche dieser Organisation vorschwebten, und einige der bei ihrer
Anwendung gemachten Erfahrungen.

Wer die 1908 erschienenen »Elementargesetze der bildenden Kunst« des Ver-
fassers kennt, wird über die Natur der fraglichen »Grundsätze« nicht in Zweifel
sein. Sie liegen in Fortentwicklung der Gedankengänge eines Hans von Marees,
Konrad Fiedler, Adolf von Hildebrand. Die Anarchie des Historizismus und die
Urteilslosigkeit in Sachen des Geschmacks kann nur durch den klaren und ein-
dringlichen Nachweis der über alle Zufälligkeit historischer Entwicklung erhabenen,
unveränderlichen Gesetze der künstlerischen Gestaltung, der inneren Logik des
Kunstwerkes überwunden werden. Den verderblichen Wirkungen jener Anarchie
kann nur dadurch gesteuert werden, daß das Verständnis dieser Gesetze der künst-
lerischen Logik durch entsprechende Erziehung wieder zum Gemeingut des ganzen
Volkes gemacht wird: so daß nicht nur Künstler, Industrielle und Handwerker wieder
allgemein diesen Gesetzen gemäß zu arbeiten lernen, sondern daß auch in den
Kreisen der Abnehmer im Gegensatz zu der heute allgemein herrschenden Ratlosig-
keit in Sachen des Geschmacks die entsprechende künstlerische Urteilsfähigkeit
wiederhergestellt wird und Gegenstände, die den künstlerischen Gesetzen wider-
sprechen, sich nicht mehr auf dem Markt behaupten können. Hierzu bedarf es vor
allem einer entsprechenden Organisation beziehungsweise Umgestaltung der künst-
lerischen Lehranstalten, in erster Linie derjenigen für das sogenannte Kunstgewerbe
Und für Architektur sowie derjenigen Lehranstalten, an denen die Lehrer ihre Aus-
bildung erhalten.

Kunst ist nicht zufällige, sondern vom Künstler gewollte Leistung: des Künst-
lers Können und Schaffen besteht eben darin, daß er dieses Wollen in die Tat
Umsetzt, das Gewollte verwirklicht. Um aber irgend etwas zu wollen, müssen wir
eine Vorstellung dessen besitzen, was wir wollen; und die Ausführung des Ge-
 
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