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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0244

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238 BESPRECHUNGEN.______________

Werk, sind in großen Linien die Lebensschicksale Tizians angelegt und dann die
Gemälde und Zeichnungen eingeordnet.

Diese Methode ist streng durchgeführt. Der Hauptwert des Buches liegt in
der Analyse der Werke. Man spürt, daß der Verfasser weniger nach Photographien
arbeitete, als sich in die Originale vertiefte. Nur vor den Gemälden selbst vermag
man sich in das Spiel von Licht und Schatten so einzufühlen, die Klänge der Farben
so aufzusaugen, wie Victor Basch es getan hat. Seine Bildanalysen zeigen, daß e
allen Ausdrucksformen des Tizianischen Stiles nachspürte. Der klare, schwellende
und rhythmisch gegliederte Stil, in dem er die einzelnen Werke des Meisters para-
phrasiert, beweist, daß er von der Musik der Tizianischen Farben getroffen wurde.
Im Schlußkapitel setzt Basch Tizian gegen Raffael ab und unterscheidet zwischen
der »serenite*, dem »silence« Raffaels und dem »irresistible chant voluptueu*'
Tizians.

Die deutsche Literatur ist in ihrem ganzen Umfang, nicht nur im bibliograpl'1'
sehen Anhang, sondern auch im Text berücksichtigt. In dem vielumstrittenen
»Konzert« aber vermag Victor Basch den deutschen Forschern nicht zu folgen- V
sieht in dem Bilde nach wie vor ein Werk des Giorgione.

Berlin. Otto Grautoff.

William Cohn, Indische Plastik. Mit 161 Tafeln und 3 Textabbildungen-
Bruno Cassirer Verlag Berlin 1921.

Der rasche Aufschwung, den das Studium ostasiatischer Kunst in Deutschland
seit dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts genommen hat, ist durch die
Situation, die der Krieg schuf, stark gehemmt worden. Für lange Zeit wird eS
deutschen Forschern nicht möglich sein, in den östlichen Ländern großer Kunst
ihren Arbeiten nachzugehen. Freudig müssen wir es begrüßen, wenn es wenigstens
gelingt, das Material, welches sie noch in Friedenszeiten sammeln konnten, unter
Dach und Fach zu bringen. Der uns heute vorliegende Band zeigt, um welche
Schätze es sich handelt.

Schon vor etwa einem Jahrhundert beschäftigte sich die romantische Schule nw
der indischen Kunst. Besonders die Brüder Schlegel interessierten sich für sie leb-
haft. Goethe äußert in einem Briefe an Sulpice Boisseree vom 21. September 182'
anläßlich des Besuches eines der Brüder, »er könne sich mit den vielköpfig-vie''
armigen Göttern keineswegs befreunden, doch seien die Apsaren (die Nymphen des
Himmels Indras) in dem Grade liebenswürdig, daß man sie gern mit den Augen
verfolge, wo nicht gar wie ihre himmlischen Bewunderer um ihretwillen ganz zU
Auge werden möchte«. Er hat somit zweifellos Abbildungen vor Augen gehabt,
vielleicht die Niebuhrschen. Sein Urteil ist nicht durchaus abweisend. Doch hat
wohl damals die Mangelhaftigkeit des Illustrationsmaterials weniger eine ästhetische
als eine rein ikonographische Einschätzung erlaubt.

Erst als 1870 durch Leitner eine große Anzahl von Skulpturen deutlich hellenisti-
schen Gepräges aus dem Lande Gandhara von der NW-Grenze Indiens nach Europa
gebracht waren, begann man die Frage nach den Wurzeln indischer Kunst lebhaft
zu diskutieren. Es war für den auf der Grundlage klassischer Kunst erzogenen
Europäer ein anziehender Gedanke, daß diese bis ins ferne Asien stilbestimnien'1
gewirkt habe. Ihr schien dadurch der Rang einer absoluten Kunst gesichert. Nähere
Untersuchungen ergaben zwar, daß es sich hier lediglich um Produkte hellenistischer
Verfallszeit frühestens aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert handle, aber
bis in die neueste Zeit blieb die Wertung dieser Kunst eine sehr hohe, ja man war
 
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