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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0135
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BESPRECHUNGEN.

eine ganz neue, selbständige Kunstwissenschaft aufbauen zu können glaubte. Nur
als Rahmenbegriffe einer rein phänomenologischen Betrachtungsweise können sie
dienen. Erfassen lassen sich mit ihrer Hilfe bestenfalls die Vorstellungszusammen-
hänge, deren sich der Künstler bewußt ist, nicht die ihm unbewußten Voraus-
setzungen seiner Vorstellungsbildung (beziehungsweise des » Denkens über Gesichts-
sinneserlebnisse ). Zu ihrer Erklärung kann die Kunstwissenschaft der psychologischen
und ästhetischen Analyse nicht entraten, durch die sich schon heute die Verschieden-
heit der Vorstellungstypen des Malers und des Bildhauers feststellen läßt. Ebenso-
wenig werden wir ohne sie den Aufbau des Kunstwerks aus Formmerkmalen und
Farbenwirkungen verstehen lernen. Bei der vorwiegend synthetischen Denkrichtung
unserer Zeit aber besteht zweifellos die Gefahr, daß ihrer feineren Ausbildung durch
die Theorie von Britsch der Weg verbaut werden könnte. Seine umfassenden Grund-
begriffe, die er in selbständiger, wenngleich eigenbrödlerischer Denkarbeit von den
künstlerischen Tatbeständen abgeleitet hat, können bei schematischer Anwendung
durch unselbständige Nachbeter allzu leicht zu nichtssagenden Formeln werden.
Das befürchtete er selbst, und das erklärt wohl zum Teil seine Scheu vor ihrer
schriftlichen Aufzeichnung. Auch im Kunstunterricht kann seine Betrachtungsweise
nur dann fruchtbringend sein, wenn sie von dem Zeichenlehrer mit lebendiger Be-
urteilung jedes Einzelfalles geübt wird. Britsch schwebte die Schaffung von Lehrsamm-
lungen vor, bestehend aus Musterbeispielen einheitlicher künstlerischer Leistungen,
nicht zur getreuen Nachbildung, sondern zur freien Weiterbeurteilung'. Die Wiederein-
führung von Bildvorlagen in den Zeichenunterricht in Anpassung an das wachsende
Auffassungsvermögen des Kindes kann gewiß anregend wirken. Ihre völlige AusT
Schließung war ein Fehlgriff. Die Hauptaufgabe aber wird doch immer die fort-
schreitende Auseinandersetzung mit dem Naturvorbild bleiben müssen und nicht
die Erweckung freier expressionistischer Gestaltung. Es ist ein Kampf gegen Wind-
mühlen, wenn Britsch und seine Anhänger gegen die Forderung naturwissenschaft-
lich richtiger Wiedergabe des Gegenstandes eifern. Sie diente in Wahrheit immer
nur (im Sinne der Philosophie des Alsob) der subjektiven Auffassung der Merkmale
der Erscheinung und damit der Förderung der Vorstellungsbildung. Wie sich der
Lehrgang auf den Voraussetzungen der letzteren aufbauen läßt, habe ich im Anhang
meiner Untersuchung über die Kunst des Kindes anzudeuten versucht.
Berlin.

O. Wulff.

Richard Hamann und Kurt Wilhelm Kästner, Die Elisabeth-Kirche zu
Marburg und ihre künstlerische Nachfolge. 1. Band. Kurt Wilhelm Kästner:
Die Architektur. Mit 205 Abbildungen. 1924. Verlag des Kunstgeschichtlichen
Seminars der Universität Marburg a. d. Lahn.
Werner Meyer-Barkhausen, Die Elisabeth-Kirche zu Marburg 1925. Verlag
N. G. Elwert in Marburg.
Immer von Neuem und immer in anderer Art bemüht sich die wissenschaft-
liche Forschung um die Elisabeth-Kirche in Marburg, die vom Deutschorden er-
richtete Wallfahrtskirche der kurz nach ihrem Tod schon heiliggesprochenen Land-
gräfin, um diesen ersten rein-gotischen Bau in Deutschland (neben der Liebfrauen-
kirche in Trier), konsequent in der Durchführung wie sonst fast nur französische
Bauten, dabei so einzigartig in sich selbst, ungewöhnlich im Grundriß, ungewohnt
im Aufriß, neu im gesamten Baugefüge. Baugeschichtliche Erforschung erbrachte
als festes Gerüst folgende Daten: Grundsteinlegung H.August 1235, Vollendung
des Ostchors 1249, Vollendung des Südchors und der Vierung 1257, Bau des nörd-
 
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