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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0380
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BESPRECHUNGEN.

367

Spannung. Sie spielt sich ohne weitere Beeinflussung von außen ab, da die Kultur-
verbindung mit China sich während der Fuyiwara-Zeit fast völlig löst.

Inzwischen vollzieht sich im Reich der Mitte ein fast unbegreiflich erscheinen-
der Umschwung. Wir erleben gegen Ausgang der Sungdynastie (960—1278 n. Chr.)
im 12.—13. Jahrhundert ganz wie im Abendlande den ersten starken Durchbruch
des Wirklichkeitssinnes in der hohen Kunst der Tempelskulptur. Die überkommenen
Grundstellungen werden zwar beibehalten, aber struktiv durchgebildet und sogar
freier abgewandelt (das eine Bein der sitzenden Kwanjin wird hochgestellt). Das
Gewand legt sich in Nachbildung seiner natürlichen Stofflichkeit über die sich darin
abzeichnenden Glieder. Die Köpfe nehmen wenigstens bei menschlichen Neben-
gestalten wie den Lohans des Metropolitan-Museum individuelle Züge und lebendige-
ren Ausdruck an, ebenso die Gebärden. Die buddhistischen Gottheiten erfahren
nunmehr auch eine entsprechende, wenngleich maßvollere Vermenschlichung. Es
kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß in dieser Bewegung die zuvor nur
in den Grabstatuetten sich auswirkende Volkskunst, wie in der Tuschmalerei, die
Führung gewonnen hat, zumal die Tonplastik großen Maßstabes als ihre eigentliche
Trägerin erscheint. Das Zeitalter der Mingdynastie (1378—1628) scheint diesen Er-
rungenschaften nichts Wesentliches hinzugefügt, sie aber nach der mongolischen
Zwischenherrschaft der Jüan neben den klassischen Formen weitergeführt zu haben.

In Japan erfährt die Überlieferung der Schule von Nara schon gegen Ausgang
des 12. Jahrhunderts eine durch neue chinesische Vorbilder gesteigerte Belebung,
der in der Kamakura-Zeit (1200—1350 n. Chr.) eine durch das halbe folgende an-
dauernde Blüte folgt. In den Arbeiten Kokeis und seiner Söhne und Schüler Kwaikei
und Unkei erreicht nicht nur der Naturalismus der Porträtköpfe seinen Höhepunkt,
sondern wird auch die freiere Gliederlage eingeführt und sogar die autrechte Hal-
tung der Mönchsgestalt bewegter. Daß chinesischer Einfluß diese Entwicklung aus-
gelöst hat, wird man schon im Hinblick auf eine gleichzeitige Einwirkung Chinas
in der Malerei anerkennen müssen. Träger dieser Strömung sind die Zensekten als
Gegner der tantrischen Lehre. Und doch prägt sich wieder die japanische Eigenart
in der Holzplastik unverkennbar aus, zumal an den bis in die Einzelformen durch-
gebildeten Halbakten der Tempelwächter (Nio). Einer maßvollen Naturalisierung
wird auch der neue Idealtypus des Jizo und der herkömmliche der Kwannon durch
Jokei unterworfen. In der profanen Bildnisskulptur aber gewinnt die Wiedergabe
der individuellen Erscheinung eine Wirklichkeitsnähe, wie sie das italienische Quattro-
cento auszeichnet, und erhält sich in großzügigerer Formengebung bis tief in die
Ashikaga-Zeit (1350-1600).

Überschaut man die Gesamtentwicklung in Glasers Darstellung, so treten die
schöpferischen Kräfte, aber auch die Schwächen der ostasiatischen Plastik klar her-
vor. Ihre Formgestaltung bleibt eine vorwiegend kubische und optische mit starkem
dekorativem Zug in der Gewandbehandlung. Der struktive Gestaltungsdrang kommt
über eine freiere Abwandlung der aus Indien entlehnten Grundstellungen nicht weit
hinaus und erreicht keine selbständige Entfaltung wie in der Antike oder im west-
europäischen Kunstkreise, — außer in der spielerischen Kleinplastik der Netsuke.
Die Reliefgestaltung verebbt vollends in der Zierkunst.

Berlin. O. Wulff.

F. Klopfer, Von der Seele der Baukunst. Wege zur Bildung. Bd. 4. Dünn-
haupt Verl., Dessau. 150 S.
In einem kurzen Abriß soll das Wesen der Baukunst von der Ägyptens bis zu
der der Neuzeit gedeutet werden. Nach der vorausgeschickten Definition der Bau-
 
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