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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Falke, Otto von: Meister Nicolaus von Verdun und der Dreikönigenschrein im Kölner Domschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0103

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175

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

176

in einer lebhaften Gruppenaktion begriffen sind,
sondern als tatenlos thronende Einzelfiguren
eine mehr statuarische Würde wahren müssen.
Wer durch genaue Betrachtung des Altars in
Klosterneuburg ein Bild der höchst persön-
lichen Kunst des Verduner Meisters in sich auf-
genommen hat, der wird allerdings ohne Mühe
den gleichen Geist, dasselbe Temperament und
dieselben Ausdrucksmittel, in manchen Prophe-
tenköpfen viel-
leicht ein noch Hl

gesteigertes
Können in den

Domfiguren
trotz der Ver-
schiedenheitvon

Technik und
Maßstab wieder-
erkennen. (Abb.
3.) Aber diese

innere Ver-
wandtschaft, so
groß sie auch ist,
läßt sich in Wor-
ten schwer auf-
weisen. Immer-
hin ist es mög-
lich, mancherlei

Ähnlichkeiten
festzuhalten, die
ins Gewicht fal-
len, wenn man
sich die Tatsache
einer durch die

Schmelzkunst
erwiesenen Tä-
tigkeit des Mei-
sters Nicolaus
in Köln verge-
genwärtigt. Als
solche Äußer-
lichkeiten sind anzuführen die scharf ausge-
prägten Stirnfalten von eigentümlicher Zeich-
nung, zwei Bogen über den Augenbrauen
und darüber noch parallele Wellenlinien, die
am Klosterneuburger Altar so häufig ins Auge
fallen (Drexler, Tafel 4, 9, 10, 14, 21, 26
usw.); am Domschrein sind sie sehr deutlich
ausgebildet nicht nur bei den bärtigen Greisen-
köpfen (Propheten Johel, Arnos, Aaron, Apostel
Symon und anderen), sondern auch bei jugend-
licheren, ganz bartlosen Gestalten, wie nament-
lich dem König Salomon. Für die gleichartige

Linienführung der leicht gewellten Haare ist
die Figur des Symon sehr bezeichnend (zu ver-
gleichen mit Drexler, Tafel 4, 8, 13, 35, 40 und
anderen), wie überhaupt das in Klosterneuburg
bemerkbare Streben nach sorgfältiger und ab-
wechlungsreicher Bildung der Haare und Barte
in langen Wellensträhnen, kurzen und langen
Locken bei den Propheten- und Apostelköpfen
in verstärktem Maße und in größerer Natur-
treue durchge-

Abb.

führt ist. Die

merkwürdige
Barttracht des
einen trauben-
tragenden Boten
aus dem gelob-
ten Land, kurzer
Kinnbart und
frei unter dem

Ohr sitzende
Büschel (Drex-
ler, Tafel 27),
hat der Künst-
ler auch dem

Apostel An-
dreas des Dom-
schreines ver-
liehen. In der
Tracht ist das

beiderseitige
Vorkommender
engen Ärmel mit
dichten Quer-
falten auf den
Unterarmen zu
erwähnen.

Man braucht
diesen Weg des

Aufsuchens
äußerlicher Ana-
logien nicht wei-
ter zu verfolgen, denn das zweite bezeichnete
Werk des Nicolaus, der Marienschrein in Tournai,
bietet in seinen ebenfalls in Silber fast vollrund
getriebenen Figuren ein ganz gleichartiges Ver-
gleichsmaterial dar. Daß es sich hier, wie schon
die ehemalige Künstlerinschrift dartut, wirklich
um plastische Werke des Meisters Nicolaus
handelt, braucht nicht bewiesen zu werden,
denn die Autorschaft ist niemals angefochten
worden. Die Meisterhand des Künstlers ist
in der Tat aus der den Schmelzbildern ganz
analogen Komposition einzelner Silbergrup-

Der Prophet Abdias vom Domschrein.
 
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