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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Cremer, Franz Gerhard: Ein Rückblick auf die "moderne Kunst", [5]: in der internationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0121

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209

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

210

Neben der „Grazie" und der Charitinnen
Gaben, welche Aglaja, die Liebliche — der
Glanz, die lichte Erscheinung des Schönen, —
Euphrosine, die Wohlgesinnte, — die Heiter-
keit, welche die Schönheit in sich trägt und
weckt, — und Thalia, die Blühende, — die
Kraft und Fülle der Freude, — (Hes. Theog.
907—911) verliehen, müssen wir aber zur Ehre
und zu vollerem Verständnisse der griechischen
Kunst eines Epigrammes des Theokrit (Mitte
des III. Jahrh. v. Chr.) gedenken, das heute um
so wertvoller ist, weil es fürder manchen davor
bewahren könnte, so niedrig, wie bisher oft
geschehen, von den in griechischem Geiste
geschaffenen Werken zu denken.

Das Epigramm „auf eine Statue der Aphro-
dite Urania" erklärt der Übersetzer, Dr. Friedr.
Zimmermann (Stuttgart, 1856): „Die züchtige
Chrysogona selbst hat die Statue geweiht. —
Hier ist die himmlische Aphrodite, in scharfen
Kontrast mit der gemeinen gestellt und als
Göttin der reinen, treuen, ernsten Liebe aufge-
faßt, mit besonderem Bezug auf eheliche Tu-
gend und eheliches Glück".

„Hier steht Kypris, die niedrige nicht. Hold
mache die Göttin,
Himmlisch sie nennend: das Bild weihte
Chrysogona keusch
In des Amphikles Hause, mit dem sie Kinder
und Leben
Hatte gemein; und dem Paar mehrte sich
immer das Glück,
Weil sie bei dir anfingen, Erhabene; denn von
der Sorge
Für Unsterbliche kommt Sterblichen größeres
Heil." — (Epig. 13.)

Doch dem Preise der Götter folgte ,die
Ehre des Vaterlandes'. In unzählbaren Werken
verewigten mit den Dichtern die Künstler Hellas'
ihre großen Männer, ihre Staatsmänner, ihre
Helden, ihre Weisen und die Erzieher des
Volkes! —

Doch auch zur Verschönerung des Lebens
diente die Kunst dem Hellenen. Nichts blieb
hier ausgeschlossen, alles fand Darstellung, so-
fern es gut und schön war. Schlachtenbilder
zur Erinnerung an die Großtaten seiner Ahnen
oder noch Mitlebenden, Jagdszenen monumen-
talen Stiles, heroische Landschaften und See-
stücke, dekorative Prospekte und reizvolle
Idyllen, satyrische Scherze und geistsprühende
Humoresken dienten Alt und Jung zur Belebung
und Belehrung. Auch das Tierstück fehlte
nicht, und welche Vollendung eben darin er-

reicht worden ist, sagen uns schon die Schluß-
zeilen eines Epigramms des Philippos von
Thessalonike auf „ein Roß des Lysippos":

So wird, Lysippos, unversehns dein Werk sogar
Vielleicht entlaufen, da die Kunst ihm Atem gab."

Auch sei eines Werkes des Myron von
Eleutherae gedacht, welcher mit Phidias und
Polyklet ein Schüler des Ageladas war; sein
Werk: „die Kuh", wurde, wie Brunn sagt, trotz
der vielseitigen hervorragenden Tätigkeit des
Meisters gleichsam das Symbol seines Ruhmes;
für die Vorzüglichkeit des Werkes ist gewiß der
Umstand bezeichnend, daß dasselbe eine ganze
Folge geistvoller Epigramme hervorgerufen. Für
uns ist das eben darauf beruhende Schlußurteil
Brunn's (Gesch. d. Griech. Künstler, Stuttgart,
1889, IL Aufl., Bd. I, S. 258), daß auch das
physische, animalische Leben rein von der
idealen Seite erfaßt und dargestellt werden kann
und tatsächlich in der griechischen Kunst zum
Ideal erhoben worden, gewiß besonderer Be-
achtung wert. — Cicero sah dies Werk des
Myron, was hier nicht ungesagt bleiben darf,
noch auf der Pnyx zu Athen; Procop. (de hello
Gothico IV, 21), fand es im Friedenstempel
zu Rom.

Hinter den Werken des großen Toreuten
blieben die Maler aber nicht zurück, wie allein
schon die Beschreibung jener Gemälde be-
stätigt, welche Philostratus der Ältere einst
zu Neapel sah. Schon einleitend bemerkt er,
nachdem er sich über die verschiedenen Arten
der Künste: die Darstellungen in Erz, Marmor
und Elfenbein geäußert, „die Malerei hat es
dagegen mit Farben zu tun" . . . und sie weiß
mit diesem einzigen Mittel viel mehr anzu-
fangen, als die andere Kunst mit den vielen."
Dazu sehen wir aus den derzeitigen Gemälde-
beschreibungen, daß die Malerei von dem ihr
gebotenen Mittel den denkbar umfassendsten
Gebrauch gemacht hat. Mit Rücksicht auf die
vorzügliche Darstellung selbst der niedereren
Tiere sei nur auf das Bild: „Die Sümpfe" (b.
Philostr. B. I, 9) besonders verwiesen.

Neben diesen Werken fehlten dann auch
nicht: das Bildnis, das Genrebild und das Still-
leben; und was unsern .Modernen' so sehr
fehlt, das besaßen alle im höchsten Grade!
Streitet in ersterer Kunstgattung, der religiös-
historischen Kunst, stets die Großartigkeit der
Auffassung mit zu Bewunderung fortreißender
Vollendung, so sind es in der weiterhin er-
 
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