Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

DOI Artikel:
Schneider, Franz: Dorfkirchen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0164

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
146

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 8/9.

Auch die meisten andern Dörfer,
in denen die hier abgebildeten
Kirchen stehen, sind in ihrem Ge-
samtbild nicht weniger schön, und
das ist das wesentliche, was ich ganz
besonders betonen möchte: Die ech-
ten Dorfkirchen sind sehr einfach,
sie mögen — aus dem Zusammen-
hang ihrer Umgebung losgelöst und
für sich betrachtet — dem Laien-
auge uninteressant und nüchtern
erscheinen, aber das Charakteri-
stikum der schönsten und am besten
mit ihrer Umgebung harmonieren-
den Dorfkirchen ist größte Ein-
fach h e i t gepaart mit fein abge-
wogenen Größenverhältnissen, wo-
bei die mit möglichster Einschrän-
kung angewendeten Architektur-
ghederungen nicht roh und ver-
ständnislos sein dürfen.

Die sämtlichen hier abgebildeten
Kirchen und Kapellen aus acht
Jahrhunderten beweisen die
gleiche Tendenz der geschilderten
Einfachheit, und dürfte dieser Um-
stand allein eine Gewähr für die Rich-
tigkeit der Auffassung sein, die, von schönheithchen Gründen abgesehen, allein
von Konsequenz und praktischem Sinn diktiert wird. Ebenso wie die Größe und
der Grad des Reichtums und eventuell auch die Wahl des Baustiles einer zu er-
bauenden Stadtkirche im Einklang stehen muß mit der Seelenzahl der Gemeinde,
mit der zur Verfügung stehenden Bausumme und der Umgebung des Baues, so wird
man auch eine Dorfkirche dem Raumbedürfnisse, dem einfachen wahren und
ungekünstelten Empfinden der Dorfbewohner wie auch der Lage und Bauart des
Dorfes anpassen müssen, will man ein einheitliches harmonisches Gesamtbild
erzielen. Diese Forderung ist so selbstverständlich, daß man ihre Erwähnung
eigentlich für überflüssig halten sollte, aber dennoch muß man fortwährend
beobachten, daß nicht nur die schönsten Dörfer und Landschaftsbilder durch
„stilreine romanische und gotische" Kirchenneubauten verunziert werden,
sondern daß herrliche und für den ernst studierenden Architekten äußerst wert-
volle alte Dorfkirchen zum Zweck ihrer Erweiterung einem patentierten „Kirchen-
baumeister", der eine möglichst große Anzahl selbstgebauter teuerer Stadt-
kirchen in Abbildungen vorführen kann, wie einem Henker ausgeliefert werden.
Häufig fallen dann außer der alten Kirche auch schöne erhaltungswerte Wohn-
häuser der Vernichtung anheim, weil sie zu der „imposanten neuen Kirche
nicht mehr passen. Ein kleiner Teil der alten Kirche ist erhalten geblieben, weil
die Behörde für Denkmalpflege wenigstens einen an das alte würdige Küchlein

Abb. 21.

Kirche in Obermenzig in Bayern.
 
Annotationen