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Allerlei
schlich er der Kellnerin des Sonnenbräuhauses erscheinen werde.
Er wurde seiner Sache nach und nach immer sicherer, und als
der Sonnabend endlich überstanden war, legte er sich mit einem
so vollen Gefühle der Siegesgewißheit zu Bette, daß er die
Nnze Nacht folgenden schönen Traum hatte.
Es war ihm, als träte er in der ganzen Glorie seiner
wundervoll schönen neuen Kleidung auf den Kirmeßmarkt. Dichtes
bedränge herrschte da. Man konnte sich nur mit Rippenstößen
durchbringen. Vor ihm aber öffnete sich überall ehrfürchtig und
bewundernd eine Gasse! Herablassend grüßte Franz nach rechts
und links mit seinem Cylinderhute. Aber es sollte noch schöner
kommen! Die Weiber und Mädel waren vollends sprachlos
über das schöne und noblige Aussehen des Müllnerfranz! Sie
umringten ihn und warfen ihm deutlich die glänzendsten Liebes-
blicke zu. Es blieb aber nicht dabei. Die stolze „Bäckermarei"
fkiisterte ihm in's Ohr: „'raus muß es einmal! Wenn ich Dich
nicht krieg, so thu' ich mir 'was an!" — Und die „Schmied-
Th'res umschlang ihn gar mit ihren fetten runden Armen und
drückte ihm so heiß, wie das glühende Hufeisen ihres Vaters,
cinen Kuß auf den Mund, daß es zischte und aufrauchte. Endlich
nahmen ihn die „Gaisen-Fritzl" und die „Alm-Rosl" se an
einer seiner Hände, und die Eine wie die Andere zog ihn mit
oll ihrer nicht kleinen Kraft je nach ihrer Seite, und schrieen
dabei: „Und ich laß' Dich nicht, Du schönster Bua!" — Franz
aber machte sich schonungsvoll von Allen los und sprach in mildem
Tone: „Ich kann nix mehr thun, ich bin schon vergeben! Ich
gehör' der Sonnenbräu -Lisei!" In diesem Augenblick flog
diese selber auf wirklichen und wahrhaftigen Flügeln von weit
her auf ihn zu, umschlang seinen Hals und bedeckte abwechselnd
kachend und schluchzend sein Gesicht mit unzähligen Küssen. Nun
wollten die übrigen Weiber und Mädel das Paar neidischer Weise
trennen, Lisei aber breitete ihre Flügel aus und flog mit Franz
ui ihren Armen über die Berge davon! ..."
Der schöne Traum hätte unseren seligen Liebhaber, Gott
weiß wie hoch, in die Lüfte geführt, wenn er nicht bei einer
Bemühung, seine geflügelte Herzenssreundin durch kühnen Körper-
schulung zu unterstützen, nach der ganzen Länge — aus dem
Bette auf die harte Diele gefallen wäre. Als Franz die Augen
öffnete, war es schon heller Tag und die Glocke des Kirch-
thurms rief bereits zum Kirchenbesuch. So lange hatte Franz
uoch an keinem Sonntag geschlafen. Er raffte sich auf. Er
wusch sich Hände und Gesicht mit einer wohlriechenden Seife,
die er Tags zuvor beim Krämer gekauft hatte. Sein Kopfhaar,
j das er sorgfältig gekämmt, schmierte er mit Bergamottöl glatt
und glänzend. Nun zog er mit großer Sorgfalt den eleganten
städtischen Frack an, schlang die Atlascravate so eng als mög-
kich um den Hals, und setzte den wie ein Spiegel glänzenden
Hut auf den Kopf.
So ausgestattet schritt Franz nach dem Sonnenbräuhause,
wo sich nach dem Kirchenbcsuche die Dorfwelt in der Gaststube
M versammeln Pflegte. Langsam machte Frailz von der Mühle
aus seinen Gang dahin. Er wollte den Leuten Zeit lassen, sich
uu Gastzimmer einzuffnden und früher Niemandem begegnen,
um desto überraschender vor der Gcsammtheit zu erscheinen.
Zauber.
Endlich .fand er den geeigneten Moment. Mit pochendem Herzen
öffnete er die knarrende Thüre. Aller Augen wendeten sich nach
ihm. Zuerst riß man stumm die Augen auf, bann aber erfolgte
ein unwiderstehliches — Gelächter.
Es war aber auch nicht anders möglich. Denken wir uns
den großen, kräftigen Burschen in dem eleganten blauen Frack,
dessen Aermel ihm leider kaum an die Handknöchel reichten, und
der ihm überhaupt zum Platzen enge war, auf dem großen
Kopfe den hohen, schmalkrämpigen Cylindcrhut, der durchaus
keinen Halt finden zu können schien, die gelben Glaco nur zur
Hälfte an den gespreizten Fingern, dazu die rothe Bauernweste
mit den zahllosen Silberknöpfen, die kurzen Sammthosen in den
hohen geschmierten Stiefeln, und endlich noch die gezwungene,
vornehm sein wollende Haltung des Trägers, so können wir
uns einen schwachen Begriff von der Komik machen, welche
Franzens jetzige Erscheinung an sich trug.
Das Lachen der Gäste ward immer ansteckender und
convulsivischer, viele mußten ihr Bier, das sie eben zu Mund
gebracht hatten, rettungslos auf gut Glück auspusten, und der
dicke Fleischer hielt sich bereits den Bauch mit solcher Anstrengung,
daß man glauben mochte, jetzt und jetzt gehe der Wamms mit einem
Krach auseinander. Als endlich gar Lisei hereinkam, und beim
Anblick ihres so wunderlich herausgeputzten Verehrers von einem
solchen Lachkrampf befallen ward, daß ihr die zwei Krügel, die
sie eben in der Hand trug, am Boden zertrümmernd entfielen,
Allerlei
schlich er der Kellnerin des Sonnenbräuhauses erscheinen werde.
Er wurde seiner Sache nach und nach immer sicherer, und als
der Sonnabend endlich überstanden war, legte er sich mit einem
so vollen Gefühle der Siegesgewißheit zu Bette, daß er die
Nnze Nacht folgenden schönen Traum hatte.
Es war ihm, als träte er in der ganzen Glorie seiner
wundervoll schönen neuen Kleidung auf den Kirmeßmarkt. Dichtes
bedränge herrschte da. Man konnte sich nur mit Rippenstößen
durchbringen. Vor ihm aber öffnete sich überall ehrfürchtig und
bewundernd eine Gasse! Herablassend grüßte Franz nach rechts
und links mit seinem Cylinderhute. Aber es sollte noch schöner
kommen! Die Weiber und Mädel waren vollends sprachlos
über das schöne und noblige Aussehen des Müllnerfranz! Sie
umringten ihn und warfen ihm deutlich die glänzendsten Liebes-
blicke zu. Es blieb aber nicht dabei. Die stolze „Bäckermarei"
fkiisterte ihm in's Ohr: „'raus muß es einmal! Wenn ich Dich
nicht krieg, so thu' ich mir 'was an!" — Und die „Schmied-
Th'res umschlang ihn gar mit ihren fetten runden Armen und
drückte ihm so heiß, wie das glühende Hufeisen ihres Vaters,
cinen Kuß auf den Mund, daß es zischte und aufrauchte. Endlich
nahmen ihn die „Gaisen-Fritzl" und die „Alm-Rosl" se an
einer seiner Hände, und die Eine wie die Andere zog ihn mit
oll ihrer nicht kleinen Kraft je nach ihrer Seite, und schrieen
dabei: „Und ich laß' Dich nicht, Du schönster Bua!" — Franz
aber machte sich schonungsvoll von Allen los und sprach in mildem
Tone: „Ich kann nix mehr thun, ich bin schon vergeben! Ich
gehör' der Sonnenbräu -Lisei!" In diesem Augenblick flog
diese selber auf wirklichen und wahrhaftigen Flügeln von weit
her auf ihn zu, umschlang seinen Hals und bedeckte abwechselnd
kachend und schluchzend sein Gesicht mit unzähligen Küssen. Nun
wollten die übrigen Weiber und Mädel das Paar neidischer Weise
trennen, Lisei aber breitete ihre Flügel aus und flog mit Franz
ui ihren Armen über die Berge davon! ..."
Der schöne Traum hätte unseren seligen Liebhaber, Gott
weiß wie hoch, in die Lüfte geführt, wenn er nicht bei einer
Bemühung, seine geflügelte Herzenssreundin durch kühnen Körper-
schulung zu unterstützen, nach der ganzen Länge — aus dem
Bette auf die harte Diele gefallen wäre. Als Franz die Augen
öffnete, war es schon heller Tag und die Glocke des Kirch-
thurms rief bereits zum Kirchenbesuch. So lange hatte Franz
uoch an keinem Sonntag geschlafen. Er raffte sich auf. Er
wusch sich Hände und Gesicht mit einer wohlriechenden Seife,
die er Tags zuvor beim Krämer gekauft hatte. Sein Kopfhaar,
j das er sorgfältig gekämmt, schmierte er mit Bergamottöl glatt
und glänzend. Nun zog er mit großer Sorgfalt den eleganten
städtischen Frack an, schlang die Atlascravate so eng als mög-
kich um den Hals, und setzte den wie ein Spiegel glänzenden
Hut auf den Kopf.
So ausgestattet schritt Franz nach dem Sonnenbräuhause,
wo sich nach dem Kirchenbcsuche die Dorfwelt in der Gaststube
M versammeln Pflegte. Langsam machte Frailz von der Mühle
aus seinen Gang dahin. Er wollte den Leuten Zeit lassen, sich
uu Gastzimmer einzuffnden und früher Niemandem begegnen,
um desto überraschender vor der Gcsammtheit zu erscheinen.
Zauber.
Endlich .fand er den geeigneten Moment. Mit pochendem Herzen
öffnete er die knarrende Thüre. Aller Augen wendeten sich nach
ihm. Zuerst riß man stumm die Augen auf, bann aber erfolgte
ein unwiderstehliches — Gelächter.
Es war aber auch nicht anders möglich. Denken wir uns
den großen, kräftigen Burschen in dem eleganten blauen Frack,
dessen Aermel ihm leider kaum an die Handknöchel reichten, und
der ihm überhaupt zum Platzen enge war, auf dem großen
Kopfe den hohen, schmalkrämpigen Cylindcrhut, der durchaus
keinen Halt finden zu können schien, die gelben Glaco nur zur
Hälfte an den gespreizten Fingern, dazu die rothe Bauernweste
mit den zahllosen Silberknöpfen, die kurzen Sammthosen in den
hohen geschmierten Stiefeln, und endlich noch die gezwungene,
vornehm sein wollende Haltung des Trägers, so können wir
uns einen schwachen Begriff von der Komik machen, welche
Franzens jetzige Erscheinung an sich trug.
Das Lachen der Gäste ward immer ansteckender und
convulsivischer, viele mußten ihr Bier, das sie eben zu Mund
gebracht hatten, rettungslos auf gut Glück auspusten, und der
dicke Fleischer hielt sich bereits den Bauch mit solcher Anstrengung,
daß man glauben mochte, jetzt und jetzt gehe der Wamms mit einem
Krach auseinander. Als endlich gar Lisei hereinkam, und beim
Anblick ihres so wunderlich herausgeputzten Verehrers von einem
solchen Lachkrampf befallen ward, daß ihr die zwei Krügel, die
sie eben in der Hand trug, am Boden zertrümmernd entfielen,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Allerlei Zauber"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1634, S. 155
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg