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Die Gartenkunst — 9.1907

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Schulze, Otto: Die Szene in der Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0071

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IX, 4

DIE GARTENKUNST

65

Die Szenerie in der Gartenkunst.

Von Kunstgewerbeschuldirektor Otto Schulze in Elberfeld.

Vielleicht würde die Überschrift eine Ergänzung fordern
in „Gartenkunst großen Stils"; doch glaube ich, daß das
eine benachteiligende Einschränkung des Themas bedeuten
würde. Daß ich, in der weiteren Auslegung des Titels,
nicht mit besonderen Überraschungen heranrücken werde,
glaube ich kaum besonders hervorheben zu sollen, denn
das Wort Szenerie soll durchaus nicht an die enge Aus-
legung des Begriffes der bühnenmäßigen Aufmachung ge-
bunden sein. Dem Gartenkünstler selbst ist das Wort
Szenerie im Zusammenhange mit der Verwirklichung seiner
rein künstlerischen Ideen auch gar nicht mehr ungeläufig.
Unsere Strömung bringt uns das täglich vor Augen. Szene oder
Szenerie in Beziehung zur Gartenkunst kann ja auch
schlechthin gar nichts anderes umfassen als eine Besonder-
heit, einen Ausschnitt, eine Konzentration oder eine Ab-
lenkung, eine Steigerung oder Abschwächung, eine Ein-
leitung oder Abschließung, ja auch eine Unterbrechung,
eine Einschiebung über den gewöhnlichen formalen Gang
der Dinge hinaus. Aber trotz des scheinbar „Fremden",
das in Widerspruch zum künstlerischen Grundgedanken
einer gärtnerischen Aufgabe zu kommen scheint, haben
wir es hier mit einem in dem Wesen der Sache selbst be-
gründeten Stimmungsgehalt des Schöpferischen zu tun,
der um so naiver und voller ist, je mehr er aus dem
Zufall und dem Unbewußten heraufsteigt, je aufdringlicher
und leerer, wenn er als Note eines festgelegten Regelwerkes
auftritt. Es geht hier im speziellen Falle wie im Gesamt-
gebiete der Kunst überhaupt, wenn die Absicht alles ist,
der Inhalt nichts, wenn Nebensächliches Hauptsache wird
und ein großer Grundgedanke durch Mätzchen und billige
Witze seiner Aufgabe entkleidet wird.

In Rücksicht auf die aus der allgemeinen Kulturbewegung
heraus in das gesamte Gartenkunstgebiet hineingetragene
Bewegung und Strömung halte ich die Behandlung des
mir gestellten Themas nicht für unzeitgemäß. Auch wir
hören die Schlagworte „Zurück zur Natur", „Los von der
Natur", und zwar von den Gärtnern von Gottes Gnaden
das erstere, von den extrem neuernden Gartenkünstlern
der Architekturschule das letztere. Beide Parteien mögen
auf bestimmten Arbeitsgebieten in ihrem Recht sein, und
brauchen sich trotzdem nichts zu vergeben, wenn sie gegen-
seitige Anleihen machen. Es kommt auf so unendlich viel
in einzelnen Fällen an, daß nicht immer ein gerade zur
Hand liegendes Rezept das richtige treffen wird. Aber ein
zu großes Regelwerk ist ja wohl überhaupt immer der Tod
der Kunst gewesen, wie ja auch — zu der Ansicht sind
wir inzwischen gekommen — die in den letzten dreißig
Jahren schematisierten Gartenpläne nur in wenigen Fällen,
ich möchte sagen, in einer gewissen Zwangslage, da über
die Absicht ihrer Urheber hinausgewachsen sind, wo sie
der Gartenkünstler dem Gartengeometer aus der Hand

nahm, oder jene Verwilderung eintrat, die das Menschen-
werk höhnte.

Man braucht in solchen Dingen heute nicht mehr jedes
Wort auf die Goldwage zu legen, man hört auch von
Laien mal ganz gern eine Meinung, selbst wenn sie auf
den ersten Blick hin absurd und unannehmbar sein sollte.
Bestellerwille hat schon manchem Ausführenden ein
Schnippchen geschlagen; man hat auch schon die Erfahrung
gemacht, daß Maulbeerbäume ganz gut bei uns gedeihen
können und trotzdem die Seidenproduktion resp. die Raupen-
zucht nicht aufzukommen vermag. Ja, es wird so manches
inszeniert, ohne daß der erwartete Erfolg den gemachten
Aufwendungen entspricht. Für kein Wort ist das zu-
reffender; man erwartet Effekte, Überraschungen, Wir-
kungen und -— das Erreichte läßt uns kalt auf der Bühne
wie im Leben. Gerade bei allergrößten Aufwendungen
kann man sicher sein, daß das Ergebnis dahinter zurück-
bleibt, Und der Gradmesser für die Unzulänglichkeit wird
um so größer, je mehr die Sache in den Dienst der All-
gemeinheit gestellt ist. Mir schweben ungeheure Bahtihof-
anlagen vor, Friedhöfe, Stadtgärten, Waldaufmachung von
Verschönerungsvereinen, Zoologische Gärten, Kuranlagen
und Stadterweiterungen, deren Brauchbarkeit mit dem
Mangel an Schönheit zusammenfiel. Nicht, daß die Ge-
samtanlage unbrauchbar gewesen wäre, sondern daß man
verabsäumt hatte, Steigerungen, Unterbrechungen, Pausen
oder auch Konzentration, Blickpunkte, das sind eben
Szenerien, keine Feerien, jene geheimnisvollen Sammler
und Anreger in sich verlierenden Anlagen, von vornherein
zum Vertreiben der Langeweile an den richtigen Platz zu
bringen.

Aufmerksames Betrachten der sich jedem erschließenden
Naturschönheiten und -Absonderlichkeiten hat mich darauf
gebracht, mir nicht nur die Szenerie der Landschaft auf
ihre künstlerische Note hin nutzbar zu machen, sondern
auch jene Zufalle aus bloßer Menschenarbeit heranzuziehen,
die mir dadurch offenbar geworden sind, malerisch, d. h.
bildmäßig Naturausschnitte aus ihrer Umgebung loszulösen.
Ich sah vor langen Jahren einmal alte, malerische
Friedhöfe; in lebhafter Erinnerung ist mir namentlich der
sogenannte Assistenzfriedhof in Kopenhagen geblieben;
Viele alte Bäume, Unterholz, wenige Gräber, oft zerfallen,
die pflegende Hand des Menschen kaum noch erkennbar.
Damals kam mir das erste Mißbehagen gegen neue, par--
zelliert-kasernierte Totenfelder mit ihrem Vorkaufsrecht für
Erbbegräbnisse, mit ihrem Pomp über den Laden morscher
Gebeine. Und so erkannte ich unser Sehnen nach dem
Parkfriedhof, nach dem Gottesacker der freien Aussaat, nicht
nach dem Furchenacker der Mähmaschine Tod. Von da
ab habe ich die Szenerie gesucht, wie uns etwa Leistikow
die Schönheit der märkischen Wälder und Seen oder
 
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