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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Ehrenberg, Hermann: Castel del Monte, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0020

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Biicherschau.

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sprechen die Kapitelle einem früheren Abschnitt der
Kunstentwickelung, und gar das Portal ist im Grunde
noch durchaus romanisch.

In Castel del Monte haben wir eine der präch-
tigsten Schöpfungen des ausgehenden romanischen
Stiles zu erkennen, in welcher einige gotische Elemente
bereits deutlich anklingen, aber noch nicht vorherrschen.
Es ist entstanden zu einer Zeit, wo gewisse Vorzüge
der französischen Kunst des 12. Jahrhunderts bereits
Gemeingut des Abendlandes geworden und durchaus
nicht ausschliesslicher Sonderbesitz der Franzosen mehr
waren; es ist gebaut in einem Lande, in welchem es
nachweislich gutgeschulte einheimische (italienische)
Künstler gab; und es ist veranlasst von einem Herr-
scher, an dessen Hofe nicht bloss die feinste arabische
und französische zeitgenössische Bildung gepflegt
wurde, sondern auch die edelsten Blüten deutschen
Geisteslebens willkommen waren und besondere Be-
rücksichtigung fanden. Die deutsche Baukunst der
Stauferzeit darf man bei aller Bewunderung der fran-
zösischen Architektur nicht geringschätzen; im Gegen-
teil, sie hat hochbedeutende Leistungen weltlicher und
kirchlicher Natur aufzuweisen. Ich erinnere hier nur
an die Bauten der Cistercienser, welche gerade auf
eine reine und klare Formensprache unter Vermeidung
unnützen Zierrates besonderen Wert legten, und ich
erinnere ferner an die Thatsache, dass die besten
Freunde des Kaisers die in Apulien reich begüterten
Deutschordensritter waren und dass diese zu eben
jener Zeit in dem von ihnen neu eroberten Preussen-
lande verschiedene Schlösser zu bauen begannen, in
welchen bei all ihren, hier nicht näher zu erörternden
Abweichungen derselbe Ernst, dieselbe monumentale
Hoheit und das gleiche Verständnis für die Lösung
schwieriger Grundrissfragen sich offenbart, wie in
Castel del Monte.

Es würde falsch sein, wenn man über die Unter-
suchungen der französischen Gelehrten lediglich nach
dem vorläufigen Bericht Bertaux' urteilen und nicht
die von ihnen verheissene grosse Veröffentlichung
abwarten wollte. Ich bin überzeugt, dass sie von
hohem Wert sein und uns vielfache Aufklärung bringen
wird. Aber ich glaube, dass man nach den obigen
Ausführungen mir zustimmen wird, wenn ich weder
eine selbständige Untersuchung für überflüssig, noch
eine sorgsame Nachprüfung des zu erwartenden fran-
zösischen Werkes für unnütz halte. Eine hohe Auf-
gabe von ungewöhnlicher wissenschaftlicher und
nationaler Bedeutung harrt ihrer Lösung.1) Sie ist nicht
leicht, verbietet jede Einseitigkeit oder Engherzigkeit
und erheischt einen weiteren Ausblick. Ist es ein
Zufall, dass drei der eigenartigsten und wichtigsten
Bauschöpfungen des deutschen Mittelalters, das Grab-
mal König Theoderichs zu Ravenna, das Aachener
Münster und Castel del Monte in engster Beziehung
zu den glänzendsten Herrschernaturen unserer Ge-
schichte und gerade solchen Persönlichkeiten stehen,

1) Die italienische Veröffentlichung, welche unlängst
über Castel del Monte erschienen ist, habe ich bisher trotz
vielfacher Bemühungen nicht erhalten können.

welche teils mehr, teils weniger eine Vereinigung ita-
lienischen und deutschen Wesens und die Verkörperung
der bis auf den heutigen Tag anhaltenden Sehnsucht
der Deutschen nach Italien bedeuten?

BÜCHERSCHAU

Die deutsehe Kunst des neunzehnten Jahrhunderts von

Cornelius Gurlitt, Architekt und Professor an der Kgl.

techn. Hochschule zu Dresden. Mit 40 Vollbildern.

Brosch. Mk. 10.—, Halbfranz geb. Mk. 12.50. Berlin 1899,

Verlag von Georg Bondi.

Als Band II einer Geschichte der Entwicklung Deutsch-
lands im neunzehnten Jahrhundert, aber zugleich als ganz
selbständiges Werk, erscheint diese Geschichte der deut-
schen Kunst unseres Jahrhunderts. Es ist die Arbeit einer
machtvollen Persönlichkeit, die nicht ängstlich referierend
Daten und Namen aneinanderreiht, sondern ihre persön-
liche Stellung zur Kunst und Kunstgeschichte eines Jahr-
hunderts darlegt. Objektive Kunsturteile erklärt Gurlitt mit
Recht für unmöglich. Nur was im Wechsel der Anschau-
ungen über die Werke unserer Kunst gedacht und ge-
schrieben wurde, wie wir heutigen uns dazu stellen, das
berichtet er. Und indem er eine Geschichte der Kunst-
j anschauungen des 19. Jahrhunderts schreibt, lässt er die
wichtigsten Künstler und Kunstwerke vor uns Revue
passieren, nicht verdammend, nicht himmelhoch erhebend,
sondern im Urteil der Zeitgenossen ihre Vorzüge, im Ur-
teil der folgenden Generation ihre Fehler enthüllend. So
gelangt er aus vollster Subjektivität zum Objektiven. Nur
J wer hoch über den Einzelheiten der Geschichte einer Zeit,
sie beherrschend, wie Gurlitt, steht, kann ein solches
Buch zu schreiben wagen, ein Denkmal ausserordentlichen
Fleisses, dessen Resultat aber leicht und mühelos, im
Plaudertone, humoristisch gefärbt zuweilen, zu wohl-
thuender und höchst lehrreicher Unterhaltung dargeboten
werden. Ein solches Werk auf Einzelheiten hin kritisieren,
ist unmöglich. Wer es widerlegen wollte, müsste ein Buch
von gleichem Umfange mindestens schreiben. Obwohl
Gurlitt durch den veränderten Gesichtspunkt, unter dem
er darstellt, in vielen Punkten Gerechtigkeit üben kann gegen
jene, die Muther in seiner Malerei des neunzehnten Jahr-
hunderts entthronte, hat er doch eines mit ihm gemein.
Er ist absolut subjektiv im Urteil. Während aber Muther
im ersten stürmischen Drange nach Aussprechen seiner
subjektiven Meinung weit übers Ziel hinausschoss, ist
Gurlitt's Buch ruhig und abgeklärt, das Resultat einer langen
Reihe von Arbeits- und Denkjahren auf dem Gebiete mo-
derner Kunst. Und während Muther sich auf Geschichte der
Malerei beschränkt, behandelt Gurlitt ebenso gründlich Plastik
und Architektur, leider in Beschränkung auf Deutschland, aber
mit wertvollen Ausblicken auf England und Frankreich.
Erfreulich ist, dass Gurlitt auch für den, im Übermass ge-
lästerten Muther in seinem Buche trotz mancher Gegen-
sätze eintritt. Gerade Gurlitt, dem niemand den Vorwurf
des Plagiates machen wird, erkennt unbefangen das Gute
an Muther's Werk an, auch wenn er etwas zu sparsam mit
Gänsefüsschen war. So ist Gurlitt's Werk die nötige
Korrektur und Erweiterung von Muther's Darstellung, ein
Buch, aus einem Gusse geschrieben, zugleich eine Ge-
schichte der Kunst und der Ästhetik des neunzehnten Jahr-
hunderts in Deutschland, eine der hervorragendsten Er-
scheinungen in der litterarischen Produktion der letzten
Jahre, derb und kraftvoll, höchst inhaltsreich. Wohl werden
manche die etwas übertriebene Hervorhebung der eigenen
Person und der Familie Gurlitt's bemängeln. Etwas we-
niger wäre mehr gewesen. Aber vielleicht ist das eine
 
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