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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Frimmel, Theodor v.: Aus Munkacsy's Jugendzeit
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0108

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199

Bücherschau. — Personalnachrichten.

200

Einer ungewöhnlichen Erscheinung, wie Munkacsy,
widmet man allerwärts auch ungewöhnliche Aufmerk-
samkeit. Und so kam es, dass ich um Ostern des
laufenden Jahres in Arad einige Stunden darauf ver-
wendete, Munkacsy-Überlieferungen zu erfragen, ob-
wohl ich von einer sehr anstrengenden Studienreise
aus Siebenbürgen heimkehrend, eigentlich nach Arad
gekommen war, um etwas Ruhe zu geniessen. Zu-
fälligerweise traf ich dort den Theatermusiker E., der
mir von Kunst und Künstlern sprach und mich daran
erinnerte, dass Munkacsy als Tischlergeselle in Arad
gearbeitet hat. Wie ich in der noch vor wenigen
Jahren deutschen, nunmehr ganz magyarisierten Stadt
mit Hilfe eines Dolmetsch mich zurecht gefunden
habe, übergehe ich. Was über den Maler ermittelt
wurde, ist etwa folgendes: Erinnerungen an Munkacsy's
Thätigkeit als Tischler sind in Arad noch hie und da
lebendig. Munkacsy's Meister hiess Ferdinand Albrecht
und ist vor einigen Jahren gestorben. Ein Mitarbeiter
des nachmaligen Künstlers ist noch am Leben und
von frischestem Gedächtnis. Von ihm, er heisst Joseph
Varga und ist gegenwärtig Tischlermeister, erfuhr ich
Einiges über Munkacsy. Beide besuchten gemeinsam
die Zeichenschule in Arad und Varga kannte seinen
Genossen genau. Als schwächlicher, sogar kränklicher
ruhiger Jüngling von mittlerer Grösse und dunklem
Haar wird Munkacsy geschildert. Die malerische
Schaffensfreude verriet schon in auffallender Weise
den zukünftigen Künstler. Die Wände der Werkstatt
wurden von ihm stets mit Figuren bedeckt. Wie
schon angedeutet, besuchte Munkacsy in Arad auch
die Zeichenschule. Varga machte mich überdies darauf
aufmerksam, dass Munkacsy in Arad schon den Grad
eines Gesellen erreicht hatte, dass er also nicht Lehr-
ling war, wie es oft erzählt werde. Ausgelernt hätte
Munkacsy in Bekes Gyula. Von dem eigentlichen
Namen des Malers »Lieb« war noch die Rede und
von einem Besuch, den er später einmal, schon als
berühmter Künstler den Aradern abgestattet hat.

Ich teile das kleine Ergebnis meiner Nachfragen
hier mit, um zu weiterem Suchen aufzumuntern. Ein
Arader Maler, der noch lebt, soll persönliche Erinne-
rungen an den jungen Munkacsy bewahren (Gyön-
gyösy Rezsö wurde er mir genannt). Im neuen Buch
über Munkacsy, sowie in Munkacsy's Memoiren ist
die Arader Zeit wenig berücksichtigt, und sogar eine
Unrichtigkeit beginnt sich festzusetzen. Bei Ilges liest
man, Munkacsy's Leidenschaft für Malerei hätte in
Arad vollständig geschlummert. Freilich steht auf der
nächsten Seite (21) auch wieder anderes. Was soll
man also glauben? Jedenfalls hat man sich an die
Angaben zu halten, nach denen Munkacsy ebenso in
Arad, wie früher an anderen Orten, mit unwider-
stehlicher Gewalt zur Malerei getrieben wurde. Die
bestimmten Überlieferungen, die ich angetroffen habe,
lassen darüber keinen Zweifel aufkommen, auch wenn
man aus anderer Quelle erfährt, dass Munkacsy während
seiner Leidensjahre in Arad lebhaft von Poesie und
Schauspielkunst gefesselt worden ist.

Wien, im November 1899.

Dr. TM. v. FRIMMEL.

BÜCHERSCHAU

Künstler-Monographien. XXX. Correggio. Von Henry
Thode. Bielefeld und Leipzig 1898.
Thode hat seiner Biographie des Mantegna, welche in
! derselben Sammlung erschien, diejenige des grössten Genius
1 folgen lassen, auf dessen Entwicklung die Schöpfungen des
Paduaners entscheidend eingewirkt haben. Von dem tiefen
Eindruck, den der junge Allegri von Mantegna's Arbeiten
in Mantua empfing, zeugen direkte Entlehnungen; aber
seine schulgemässe Ausbildung verdankt er darum doch
dem Ferraresen Costa, und gerade in der jMadonna des
| heiligen Franz« in Dresden, wo das Bewegungsmotiv der
■ Hauptgestalt nach Mantegna kopiert ist, verraten die Wahl
der Farben, die Überzierlichkeit der Bewegungen, das
Sentiment aufs deutlichste diese Schulprovenienz. Thode
stellt die grosse künstlerische Anregung durch Mantegna
mehr in den Vordergrund und glaubt, dass ihr eine zweite,
J stärkere durch die grossen Schöpfungen Raffael's und
! Michelangelo's im Vatican gefolgt ist, die Correggio
I während eines Aufenthaltes in Rom 1517 oder 1518, jeden-
falls vor dem Beginn seiner Arbeiten in San Paolo zu
Parma, kennen gelernt habe. Allerdings stellen die ältesten
j Zeugnisse, Vasari's und das des Ortensio Landi (1552), eine
: solche Romreise des Meisters ausdrücklich in Abrede. Thode
glaubt den in der That erstaunlichen Umschwung in der
Kunst Correggios, den die Fresken in San Paolo bezeugen,
nicht anders erklären zu können. Auch in Correggio's
berühmtesten Schöpfungen, den Fresken der Kuppeln von
San Giovanni und des Domes zu Parma, erkennt er die
mächtigen römischen Eindrücke wieder. Wer will aber
sagen, ob nicht ein geringer Funken, etwa der Anblick
einiger Marc Anton-Stiche genügt haben mag, um diesen
I mächtigen Feuerbrand zu entfachen, wer will sagen, welcher
natürlichen Entwicklung des Genie, auch ohne äussere
Einwirkungen, fähig ist? — Mit warmer Begeisterung, und
in einer durch sie erhöhten Sprache, die imstande
ist, die gewaltig bewegte Kunst Correggios' in Worte zu
fassen, trägt Thode seine Gedanken vor und fesselt den
Leser, der sich gern seiner Führung überlässt. Dass er
der »Madonna von Casalmaggiore« (Städel'sches Museum,
Frankfurt), die er den Kunstfreunden wiedergegeben hat,
eine besondere Stellung im Werke Correggios' einräumt
(P- 54/55), erscheint begreiflich; um so mehr, als ihm vor
Jahren der Nachweis, es sei das wiedergefundene Bild
identisch mit einem der modenesischen Sammlung zu-
gehörigen, vollständig geglückt ist. Die Abbildungen sind
mit gewohnter Reichhaltigkeit dem Buche eingefügt und
zumeist, besonders dank Anderson's trefflichen neuen Auf-
nahmen, wohl gelungen. Bedauerlich bleibt es nur, dass man
gerade die Kuppelfresken immer wieder in den verweich-
lichten Nachbildungen Paolo Toschi's zu sehen bekommt.
Bezüglich der Zeichnungen müssen erst völlige Klarheit und
Sicherheit geschafft werden. Die Zeichnung des »musi-
, zierenden Fauns« (Abb. 84) hat zu dem Bild »Apoll und
Marsyas« der Ermitage gedient, dessen Autor wohl im
Kreis der Carracci zu suchen, jedenfalls Correggio nicht
ist. Eine Publikation sämmtlicher echter Zeichnungen
des grossen Meisters von Parma wäre eine Aufgabe, die
reichen Lohn verspricht und — bei der nicht grossen Zahl
der echten Blätter — verhältnismässig leicht durchzuführen
wäre. o. or.

PERSONALNACHRICHTEN

Weimar. Der bekannte Bilderrestaurator, Professor
William Remlein ist, im 82. Lebensjahre stehend, hier
gestorben.
 
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