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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Ludwig Knaus
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0139

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26l

Nekrologe. — Personalnachrichten.

262

getreten war, seinen Wohnsitz behielt. Auch in diesen
letzten 25 Jahren hat seine fleissige Hand unendlich
viel Arbeit bewältigt; doch seien aus der langen Reihe
seiner Schöpfungen nur noch die für die National-
galerie zu Berlin gemalten Porträts von Helmholtz
und Mommsen genannt. Sie sind überaus bezeich-
nend für die Art des Malers: in der Charakteristik
der Dargestellten ist das Hauptgewicht auf Äusser-
lichkeiten gelegt, sodass uns mehr von ihrem äusseren
Leben als von ihrem inneren erzählt wird. Zudem
wirken die Bilder dadurch ziemlich unruhig, es fehlt
ihnen das Grosse, das Monumentale, für das Köpfe,
wie diese beiden, in seltener Weise geschaffen sind.
Immerhin frappieren sie durch sprechendste Ähnlichkeit
und sind interessant durch die unendlich sorgfältige
bis ins kleinste gehende Durchführung.

Noch steht der Meister, der am 5. Oktober des
vorigen Jahres seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert
hat, in unserer Mitte in ungebrochener Kraft, in Rüstig-
keit und Frische. Und wenn auch, wie schon erwähnt,
sein mit »L. Knaus 1900« bezeichneter »Reigen» als
ein nicht geglückter Versuch, den Spuren der Jungen
zu folgen, bezeichnet werden muss, so beweist er
doch, wie jung das Herz des Alten geblieben ist;
er zeigt, wie objektiv sein Auge das Streben und
Ringen der Jugend betrachtet, wie sehr er es zu ver-
stehen und ihm gerecht zu werden bemüht ist.
Bei der nachträglichen Feier seines Geburtstages am
12. Januar sprach er, überwältigt von der Verehrung
und Liebe, die ihm aus allen Gauen des Vaterlandes
und aus allen Lagern freudig entgegengebracht wurde,
Worte voll seltenster, übergrosser Bescheidenheit. »Ich
habe mich«, so etwa sagte er, »schon seit Jahren voll-
ständig resigniert, infolge der immer mehr sich geltend
machenden Abnahme meiner Schaffenskraft und der
Umwälzung, die sich innerhalb der Kunst vollzogen.
Mit Recht heisst es ja: Das Alte stürzt, es ändert sich
die Zeit. — Um so mehr überrascht es mich, dass
ich jetzt noch so warme Sympathie gefunden habe,
auch von Seiten der jüngeren Kunstrichtung. Nehmen
Sie alle meinen herzlichsten Dank, und seien Sie ver-
sichert, dass Sie mir eine wirkliche Herzensfreude
bereitet haben.« Wahrlich, in diesen Worten offen-
bart sich ein grosser und starker Charakter. — »Tiefe
schafft Bescheidenheit!« heisst es bei Scheffel.
Tiefe, Sammlung, Ruhe! Mögen die Jungen sie lernen i
von diesem Alten, der einst im fremden Land zuerst 1
seit langer Zeit die deutsche Kunst wieder zu Ehren i
gebracht hat, und das vor allem auch deshalb, weil
er fest und tief im Boden des Vaterlandes wurzelte! 1
Gewiss: sein Gebiet war nicht gross, aber mit deutscher .
Gewissenhaftigkeit hat er immer sein Bestes, immer
etwas Ganzes, Abgerundetes gegeben. Dies Hasten
und Jagen, das so gräulich unkünstlerisch ist, weil J
alle Sammlung dabei zum Teufel gehen muss, war
ihm, dem rastlos Fleissigen, völlig fremd. Mögen denn
die Jungen, unter denen so Viele sind, die sich riesen-
gross dünken, ohne auch nur den mindesten Anlass
dazu zu haben, von diesem Weisen lernen, dass es
schön ist, sich zu bescheiden, und etwas Grosses i
darum, im Kleinen gross zu sein! paul warncke. '■

NEKROLOGE
Berlin. Am 16. d. M. starb in Gross-Lichterfelde der
bekannte Historienmaler Professor Julius Schräder. Er war
am 16. Juni 1815 in Berlin als Sohn eines Malers geboren
und begann, 14 Jahre alt, seine Laufbahn mit Studien an
der hiesigen Akademie der Künste. Schon 1834 ward er
als Assistenzlehrer angestellt und bezog 1837 die Düssel-
dorfer Akademie, wo er bis 1844 verblieb. Nachdem ver-
schiedene Studienreisen ihn nach Belgien und Frankreich
geführt hatten, ging er 1844, als ihm der grosse Staats-
preis verliehen worden war, nach Italien, wo er in den
nächsten drei Jahren seine ersten grösseren Gemälde
schuf. Sein Bild Ȇbergabe von Calais an Eduard III.
erntete grossen Beifall und inachte seinen Namen rasch
bekannt. Reisen nach England und Holland folgten, bis
er 1851 in Berlin seinen Wohnsitz nahm, wo er im folgenden
Jahre zum Professor und bald darauf zum Mitglied des
Senats der Akademie auf Lebenszeit ernannt wurde. Am
1. April 1856 trat der Künstler in das Lehrerkollegium der
Berliner Akademie als Leiter der neu eingerichteten Mal-
klasse I ein, eine Stellung, in der er verblieb, bis er 1892
seinem Antrage gemäss in den Ruhestand trat. Ein Augen-
leiden, das sehr bald zur Erblindung führte, war die un-
mittelbare Veranlassung des Rücktritts. Bei Gelegenheit
seines 80. Geburtstages veranstaltete die Akademie eine
Kollektivausstellung seiner Werke, in Verbindung mit solchen
von Schöpfungen Adolf Menzels und Andreas Achenbachs.
Zu seinen berühmtesten Werken, von denen zahlreiche in
der Nationalgalerie und anderen Museen aufbewahrt
werden, gehören »Der Tod des Lionardo da Vinci» Crom-
well am Sterbelager seiner Lieblingstochter«, »Karl I.
nimmt Abschied von den Seinen«, Lady Macbeth schlaf-
wandelnd«, »Elisabeth unterzeichnet das Todesurteil der
Maria Stuart«, »Maria Stuart's letzte Augenblicke und
»Shakespeare als Wilddieb vor dem Friedensrichter . Auch
als Porträtmaler zeichnete sich Schräder aus, seine beste
Kraft aber widmete er stets dem in Deutschland erst im ersten
Drittel des XIX. Jahrhunderts unter dem Einfluss der
Belgier Gallait und Biefve aufkommenden historischen
Genre. Es ist zu bedauern, dass sein reiches Talent in
solche Bahnen gelenkt wurde, da diese Art der Historien-
malerei nicht zu den höchten Gattungen der Malerei über-
haupt gerechnet werden kann. Das Gegenständliche
drängt sich naturgemäss in den Vordergrund und die Bilder
erscheinen durchaus wie Illustrationen zu historischen Ro-
manen, was auch die oben angeführten Titel der Werke
Julius Schräders bestätigen. Das ist für den reinen Kunst-
genuss um so verhängnisvoller, als sie infolge der ange-
strebten möglichst grossen Treue des historischen Kostüms
und des übrigen Beiwerks ganz besonders das wissen-
schaftliche Interesse für Kulturgeschichte wecken und be-
anspruchen. Aus diesem Grunde würde die naive Art
früherer Zeiten, geschichtliche Ereignisse in modernem
Gewände darzustellen, trotz der Unrichtigkeit des Milieus,
den Vorzug verdienen. Dieses »historische Genre« ist ein
gefährlicher Irrtum, den man gleichwohl als eine hervor-
ragende Errungenschaft begrüsst hat, und der noch heute
in zu hohem Masse die öffentliche Unterstützung findet.
Die Kunst, die nicht allein als Kunst Herz und Sinne zu
fesseln vermag, ist eben keine Kunst im eigentlichen und
höchsten Sinne, und steigt unbedingt von ihrem Thron
herab, wenn sie zu einer Dienerin der Wissenschaft wird.

P. W.

PERSONALNACHRICHTEN
Berlin. In der philosophischen Fakultät der Universität
habilitierte srch am 15. Februar der Herausgeber dieser
 
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