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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Ludwig Knaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0138

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Ludwig Knaus.

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mung in unserem Sinne war in den fünfziger Jahren
noch nicht wieder entdeckt oder präcisiert, und
nur ganz geringe Spuren einer solchen findet man
in einzelnen Bildern des Malers. Aber sein Gesamt-
schaffen, wie wir es in dieser Ausstellung, wenn auch
nicht vollständig, vor uns haben, atmet doch eine sehr
starke Stimmung; man kann sich denken, dass von
dem Bilde irgend eines anderen, ohne dass eine Spur
von Nachahmung zu finden wäre, gesagt werden
könnte: Das ist echte Knausstimmung. Es ist unge-
fähr die gleiche wehmütig anheimelnde Empfindung,
die das Wort von der guten, alten Zeit« in uns
hervorruft.

Diese geschlossene Einheitlichkeit seines Schaffens
ist einer der Vorzüge seiner Kunst, aber da er nicht
einer der ganz Grossen ist, gehört auch sie zu deren
Grenzen. Es Hesse sich darüber streiten, ob dem
Künstler mit dieser Gesamtausstellung ein grosser
Dienst erwiesen ist. Man kann die Einsicht nicht
ableugnen, dass jedes einzelne seiner Bilder, für sich
betrachtet, ihn grösser erscheinen liess als diese Zu-
sammenstellung. Wie war man stets erfreut, wenn
man auf den Ausstellungen einem Bild von Ludwig
Knaus begegnete und sich in seine intimen Reize neben
den vielen Posaunenstössen ringsum vertiefen konnte!
Es ist aber ein ander Ding, ob man einen sich immer
gleich bleibenden freundlichen und liebenswürdigen
Plauderer von Zeit zu Zeit auf eine Stunde oder
längere Zeit hintereinander hört. Da kann es wohl
vorkommen, dass er ermüdet und die Beschränkung
seines Könnens offensichtlich wird. Allein wie viele
giebt es denn schliesslich, denen eine Sammelaus-
stellung zum wahren Vorteil gereichen k. in? Jeden-
falls sieht man auch hier: Knaus ist ein künstlerischer
Charakter, der, als er sein Ziel erkannt hatte, in ernstem
Streben fest und sicher seine Wege gegangen ist, und
deshalb ehren ihn die Alten und die Jungen.

Und er kam zur rechten Stunde Er war seiner
Zeit nicht voraus, aber er war ihr treuester Sohn;
was seinem Empfinden entsprach, das entsprach auch
dem ihren, und so konnte er den Mitlebenden geben,
was sie unbewusst suchten, was ihnen behagte, und
was sie verstanden. Es ward allmählich Licht in
Deutschland, man begann einzusehen, dass es ohne
Farbe doch nicht gut gehe in der Malerei, und dass
ein Maler doch auch zu malen verstehen müsse. Und
in diesem Sinne ward Ludwig Knaus sogar ein Bahn-
brecher, ein Führer.

Die inhaltreiche, geistvolle, strenge, aber kalte und
nach unseren Begriffen unbefriedigende Kunst der
grossen Linie, das Evangelium des Cornelius, der in
der Farbe nur ein störendes, weil auf die Sinne wir-
kendes Beiwerk sah, war bisher in Deutschland die
herrschende Kunst gewesen. Knaus vor allen ver-
nichtete diese Anschauung, indem er gleich in seinen
ersten Bildern neben vollendeter Meisterschaft der
Zeichnung sehr bedeutende coloristische Vorzüge
zeigte.

Er war 1845, im 17. Lebensjahr, durch sehr tüch-
tige Lehrer im Zeichnen vorgebildet, nach Düsseldorf
gekommen, um dort die Akademie zu besuchen.

! Allein er fand nicht, was er suchte. Wilhelm Sohn

I zwar trat ihm als verständnisvoller und anregender
Lehrer entgegen, durch Wilhelm Schadow aber, den
damaligen Direktor der Hochschule, der das »Genrebild
überhaupt für der Kunst ziemlich unwürdig erachtete

: und nur die Historienmalerei gelten liess, ward er
des Lebens und Strebens in der rheinischen Kunst-
stadt bald müde. Der eigenen Kraft und Art ver-

I trauend, suchte er die Wege zu gehen, die sie ihm
wiesen, und so ging er aufs Land, nach Hessen, in

| das Dorf Willinghausen. Dort blieb er, eifrig arbei-
tend, längere Zeit und errang 1850 mit dem »Hessi-
schen Bauerntanz - auf der Ausstellung in Düsseldorf
seinen ersten grossen Erfolg. Ihm folgten Schlag auf

[ Schlag andere, grössere, die sich an das 1851 ent-
standene »Die Falschspieler' und an das aus dem
folgenden Jahre stammende »Der Leichenzug im
Walde knüpften. Das erstere, das er mehrmals
wiederholen musste, erinnert ganz besonders an die
alten Holländer, aber es ist trotzdem durchaus nichts

\ von Nachahmung darin zu spüren. Der durch

; und durch deutsche Charakter des jugendlichen
Meisters blieb sich selbst getreu auch während der
acht Jahre, die er von 1852 ab in Paris zubrachte,
wo er zunächst mit Feuerbach, Spangenberg und
Henneberg in Couture's weltberühmtem Atelier sich
zu vervollkommnen suchte. — Dort gelang ihm ein
neuer grosser Wurf: 1853 erhielt er für sein Gemälde
»Morgen nach dem Kirchweihfest«, das im Pariser Salon
wahre Begeisterung erregte, die zweite goldene Medaille.
Weiter folgten dann u. a. das »Frauenzimmer mit
zwei Katzen spielend , ein ausserordentlich reizvolles
Bild, und das Porträt des Begründers der Galerie
Ravene, des Kunstfreundes, der sich anschickt, ein
neuerworbenes Werk Meissonniers mit stillem Ge-
nüsse und inniger Sammlung zu betrachten. Diese
Arbeit gehört neben dem 1861 in Berlin gemalten
»Invaliden und den 1862 entstandenen »Damenbrett-
spielern« zu den Perlen der jetzigen Ausstellung. In
diesen Werken ist echtes Leben, hier hat Knaus mehr
als anderswo das Momentane, Enteilende erfasst.
Hier steht er auf der höchsten Höhe seiner Kunst.
Da ist feinste Beobachtung und liebevollstes Eingehen
auf das Detail gepaart mit einem wahrhaft bedeuten-

| den Blick für die Gesamtheit, für die grosse malerische
Wirkung. — 1858 schuf der Meister in Paris sein be-
rühmtes Gemälde Die goldene Hochzeit , das übrigens
leider für diese Ausstellung nicht zu beschaffen war.

1860 kehrte er in seine Vaterstadt Wiesbaden
zurück, ging aber scho:i im folgenden Jahre nach
Berlin, wo er, unermüdlich arbeitend, bis 1866 blieb.

j Aus dieser Zeit stammen u.a. noch »Die Wochenstube«,

I die »Passeyrer Raufer«, »Der Taschenspieler«, »Karten-
spielende Schusterjungen« und »Die jungen Katzen«.
Dann siedelte der Künstler nach Düsseldorf über,
wo er einzelne seiner populärsten Bilder schuf, wie

| »Hoheit auf Reisen«, das »Kinderfest«, den »Leier-

, mann« und endlich das »Begräbnis in einem hessischen
Dorfe im Winter«. 1874 ward Knaus als Leiter eines
akademischen Meisterateliers nach Berlin berufen, wo
er, nachdem er 1883 von dieser Stellung zurück-
 
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