Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Valentin, Veit: Eduard von Steinle's Briefwechsel mit seinen Freunden, [2]: ein Beitrag zur Charakteristik Steinle's
DOI Artikel:
Frimmel, Theodor v.: Aus Munkacsy's Jugendzeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0107

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
197

Aus Munkacsy's Jugendzeit.

Rückreise aus Belgien besuchte ich in Exaeten in
Holland die ausgewanderten Laacher Jesuiten und
kann nicht sagen, wie wohlthätig mir der Aufenthalt
bei diesem erklecklichen Stück des Reiches Gottes
auf Erden war.«

Man ist vielleicht geneigt, sich zu verwundern,
dass ein Briefwechsel veröffentlicht wird, der so hinter
die Kulissen blicken lässt und den Helden des Buches
in einem wenig erfreulichen Lichte zeigt. Aber solche
Verwunderung wäre verfehlt. Gerade solche Be-
ziehungen verleihen dem Buche in den Kreisen, für
die es berechnet ist, einen ganz besonderen Wert:
es ist ein Erbauungsbuch für die echt römisch ge-
färbten Katholiken. Sie aber werden gerade da die
vollste Zustimmung spenden und die höchste Freude
fühlen, wo andere — anders fühlen. Viel erstaun-
licher, aber mit dieser Thatsache sehr wohl zusammen-
stimmend, ist es, wie wenig aus dem Buche für die
Erkenntnis des Künstlers als solchen und der Kunst
gewonnen wird. Ganz selten begegnen Bemerkungen,
die wirklich künstlerischen Charakter haben. Es geht
dies soweit, dass der jedesmalige Korrespondent
im Grunde gleichgiltig ist: in jedem Verkehr
herrscht derselbe Ton, derselbe Gedankenkreis, so
dass die nivellierende Kraft der römischen Kirche
sich hier in glänzendster Weise bewährt. Nur
Clemens Brentano verleugnet seine Originalität nicht:
die übrigen katholischen Korrespondenten, selbst
Reichensperger nicht ausgenommen, rechtfertigen es
durchaus nicht, dass jeder Briefwechsel als ein beson-
deres Ganzes gegeben worden ist. Es ist dies auch
nach anderer Seite hin wenig günstig. Der Heraus-
geber führt die Sammlung durch eine sorgfältige und
ausführliche Darstellung des Lebensganges Steinle's
in Verbindung mit seinem künstlerischen Schaffen ein:
auch hier sind schon viele Briefstellen geschickt ein-
gewoben. Hat man auf diesen 166 Seiten den Lebens-
lauf gründlich kennen gelernt, so führt nun jeder Brief-
wechsel noch einmal das Leben Steinle's vor, so dass
man immer wieder von vorne anfangen, immer wieder
dieselben Ereignisse erwähnt, immer wieder dieselben
Urteile ausgesprochen finden muss. Es wäre sicher
günstiger gewesen, die Briefe zeitlich zu ordnen und
so einen einheitlichen Überblick zu geben, der zudem
die mannigfachen gleichzeitigen Beziehungen in ihrem
Reichtum und freilich auch in ihren Schranken klar
vor Augen gestellt hätte. Aber auch so wäre das
Buch kein vollgiltiges Quellenbuch für den Künstler
Steinle geworden, wie es dies für den durch Dick
und Dünn mitgehenden, unbedingten und allem anderen
blind gegenüberstehenden Kirchenmann Steinle gewor-
den ist. Einen Ersatz dafür bietet das sorgfältige Ver-
zeichnis der Werke Steinle's mit möglichst genauen
Nachweisen über Art und Verbleib der einzelnen Kunst-
schöpfungen. Es zeigt, wie unsäglich fleissig der
Künstler war, wie seine Schöpferkraft unermüdlich sich
bethätigte, wie reich sein künstlerisches Leben gewesen
sein muss. Dies lernt man aber noch viel besser und
am besten aus seinen Werken selbst kennen: sie wer-
den daher das Buch bleiben, dessen Lektüre nicht nur
den Meister von seiner wahrhaft grossen Seite zeigt,

sondern auch einen ungestörten Genuss bereitet. In
ihnen spricht sich die merkwürdige Doppelnatur
Steinle's ungestört aus: neben dem Kirchenkünstler
erscheint der frei schaffende, nur der Eingebung seiner
köstlichen, humorvollen Phantasie folgende Menschen-
künstler, der immer neuen Reiz bietet. Und dem
künstlerisch empfindenden Menschen wird auch die
kirchliche Kunst Steinle's eine Freude bleiben, und
i es ist nicht nötig, sich durch die uns anderen wun-
1 derlich klingende Behauptung stören zu lassen, der
Grosspönitentiar, dieses für jedes echt menschliche
Empfinden auch seinem Inhalte nach köstliche Werk
— denn wer freute sich nicht darüber, wenn eine ge-
quälte Seele Trost findet, sei er wie er sei? — gefalle
den Protestanten nur deshalb so gut, weil »sie gerne
beichten möchten und nicht können« (II, S. 376)!
Wie aus dieser Kirchennatur die Menschennatur immer
wieder hervorbricht, ist in Steinle's Kunstübung das
menschlich Interessanteste: ich habe es in meiner
»Charakteristik«, die 1887 in dieser Zeitschrift und
auch als Sonderabdruck erschienen ist, näher darge-
legt. Einen schönen Überblick über Steinle's künst-
lerische Werke gewährt das Steinlealbum«, auf das
daher hier nochmals besonders hingewiesen sein möge
(vgl. in dieser Zeitschrift Jahrg. XXIII, H. 1

Die Ausstattung des Buches und die Sorgfalt des
Herausgebers sind zu rühmen, nicht minder der bei-
gegebene Schmuck von Nachbildungen Steinle's, die
zwar nichts Neues bieten, aber auch den Kenner mit
ihrer siegreichen Schönheit immer aufs neue erfreuen.

AUS MUNKACSY'S JUGENDZEIT.
»Er wird allem Anschein nach kein vorüber-
gehendes Meteor sein, sondern ein Stern am Himmel
der Kunst bleiben.« So schrieb Wolfgang Müller von
Königswinter im Jahre 1870 über Michael Munkacsy,
als die letzten Tage eines Verurteilten« in Düssel-
dorf ausgestellt waren. Das Bild, man weiss es heute
schon allerwärts, war ein Werk, dem der Künstler
seinen ersten durchschlagenden Erfolg verdankte. Ich
erinnerte mich an jenen Ausspruch des alten Düssel-
dorfer Kunstschriftstellers, als jüngst eine Lebens-
beschreibung Munkacsy's erschien, deren reiche Aus-
stattung und reicher Inhalt den bleibenden Erfolg des
Künstlers so recht klar macht.1) Munkacsy hat es
thatsächlich nicht bei einem glänzenden Erfolg be-
wenden lassen, sondern fügte seit 1870 bis in die
90er Jahre, gewisse Unterbrechungen abgerechnet,
Leistung an Leistung, bis sich die Spuren einer
tückischen Krankheit fühlbar machten, die den Künstler
noch gegenwärtig an ernstlichem Schaffen hindert.

J) F. Walther Ilges »M. v. Munkacsy (Band XL der
Künstlermonographien von H. Knackfuss). Müller's von
Königswinter Ausspruch steht in der »Gartenlaube« von

1 1870, S. 478, welche Zeitschrift damals auch eine grosse
Nachbildung des Gemäldes brachte. Der Erfolg, den
»die letzten Tage des Verurteilten« in Paris hatte, verur-
sachte dem Künstler eine schwere geistige Depression,

1 über die er späterhin selbst geschrieben hat. Vergl. das
Feuilleton »Die Qualen des ersten Erfolges« in der »Wiener
Zeitung« vom 9. und 10. Januar 1892 (nach der (»Ungarischen

1 Revue«).
 
Annotationen