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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Valentin, Veit: Eduard von Steinle's Briefwechsel mit seinen Freunden, [2]: ein Beitrag zur Charakteristik Steinle's
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0106

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Eduard von Steinle's Briefwechsel mit seinen Freunden.

nicht verhehlen, die »mich durchströmte, als ich in
Ihren Zeilen erkannte, dass sich der Ausführung selber
kein Hindernis mehr in den Weg legt .... ich
gestehe es frei, dass ich die Zeit, in der ich werde Hand
anlegen können, nur mit Ungeduld erwarte«. Das
hindert ihn nicht, tags darauf, am 16. Februar 1838
(S. 407 f.), sich recht eigentümlich zu trösten. Er
schreibt an den Konvertiten Schlosser, den Besitzer
des Stiftes Neuburg, nachdem er berichtet hat, die
Angelegenheit sei auf ehrenvolle und erfreuliche Weise
zu stände gekommen, „wie ich es mir nur immer
wünschen konnte«: »die unangenehme und fatale
Seite der Sache erkennen Ew. Hochwohlgeboren so
gut wie ich. Indessen kann ich nicht leugnen,
dass ich mich nun in der Aussicht solcher Beschäf-
tigung wie neu belebt fühle, und mit um so mehr
Mut und Freude Hand anlege, als das Ganze an
und für sich die Ehre Gottes bezweckt und dabei
die Hoffnung, dass einmal Katholiken vor diesen
Bildern den Herrn preisen, nicht untergehen darf«.
Ohne Ahnung von solcher ihn heimlich umspinnenden
Gesinnung nimmt Bethmann-Hollweg die Entwürfe
mit nach Berlin und zeigt sie, für die Förderung
Steinle's bedacht, dem kunstsinnigen Kronprinzen, der
sich »sehr erfreut und beifällig« darüber äussert.
Das schreibt jedoch nicht er an Steinle, um sich
seines Thuns zu rühmen, sondern eben Schlosser
selbst, der hinzufügt: »Seiner Liebe zu Ihnen wegen
gönne ich ihm, dass Sie diese Arbeit für ihn über-
nommen haben, wie er denn überhaupt ein sehr
trefflicher, achtungswerter Mann ist« (S. 409/10). Ja,
Bethmann-Hollweg ist so entzückt von dem Kunst-
werk, dass er eben diese Entwürfe, trotzdem er die
Ausführung besitzt, noch dazu kauft und zwar, wie
er schreibt, »für einen von Ihnen demnächst zu be-
stimmenden Preis«. Andere fühlten indessen in der
Mithereinziehung der Jungfrau Maria an einer Stelle,
wo sie nicht hingehörte, allerdings etwas Katholisches
heraus. Ferdinand Olivier schreibt an den Besteller
(30. August 1838, S. 375) »dass die der Bergpredigt
als zweites Hauptbild gegenüberstehende Darstellung
durch die Art, wie die Jungfrau Maria darin figuriert,
einen ziemlich katholischen Anstrich hat«. Dies be-
einträchtigt jedoch Bethmann-Hollweg's Freude an der
Sache durchaus nicht. Am 18. November 1838 (S.382) er-
klärt er es für selbstverständlich, dass Steinle mit seinen
Gehilfen seine Gäste auf dem Schlosse sein sollten,
und in welcher Weise er die Gastfreundschaft aus-
geübt hat, lehren Steinles Worte an ihn vom
31. Dezember 1838 (S. 384): »Ob schon ich mir
den Aufenthalt auf Rheineck nie in anderer Weise
als höchst angenehm und anmutig gedacht, so sind
mir doch Ihre freundlichen Worte Ihres letzten
Schreibens eine neue Bürgschaft dafür, und ich
freue mich in der That darauf«. Der Herausgeber
erzählt sodann über die Ausführung dieses gastlichen
Aufenthaltes: »Steinle traf im März 1839 in Rheineck
ein, während Bethmann in England weilte, und malte
dort mit seinen Gehilfen Brentano und Suttner bis
Ende September, im Bethmann'schen Familienkreise
wie ein Verwandter aufgenommen« (S. 384/5). Un-

mittelbar nach diesem Aufenthalte enthüllt Steinle
seine wahre Gesinnung dem Dr. Schlosser am
25. September: »Rheineck, der herrliche Punkt, das
schöne Schloss, der Blick auf das herrliche Silberband,
j den Vater Rhein, abwärts bis zum Siebengebirge,
aufwärts bis Andernach und in die Ebene von Ko-
blenz, an den Seiten die lieblichsten Thäler, eine nicht
unangenehme Gesellschaft, dies alles machte meinen
Aufenthalt dort in einem weit glänzenderen Lichte er-
scheinen, als er es, ohne gegen alles Schöne und
Gute, dass ich wirklich genossen habe, undankbar
erscheinen zu wollen, wirklich war. Dies alles macht
eben nichts aus, wenn eines fehlt, und so konnte
mich denn freilich nur die Kirche und der brave
Pfarrer in Niederbreisig, die ununterbrochene und alle
Kräfte in Anspruch nehmende Beschäftigung der
Freskomalerei und der Gedanke, dass Gott doch,
und wenn auch in später Folge erst, das Werk nicht
ohne alle Frucht und Segen lassen wird, aufrecht
und bei nötigem Mute erhalten«. (S. 413/14). Im
Jahre 1840 steigerte sich Bethmann-Hollweg's Gast-
freundschaft: ausser Steinle lud er dessen Familie ein,
den Sommer dort zuzubringen, und dankt ihm noch
dafür, dass in seiner Abwesenheit Steinle »den Burg-
herrn« vertritt (S. 387), und versäumt auch nicht, ihm
immer wieder seine Freude über das Werk auszu-
sprechen. Aber der Wiederhall klingt recht verschieden!
Am 22. September 1841 schreibt Steinle an Schlosser:
»Es hat mich sehr erfreut, dass Hollweg letzthin mit
einer Art Begeisterung über den Gesamteindruck der
Kapelle, der nun mit dem Entfernen des Gerüstes
hervorgetreten, schrieb — aber ach Gott, es knüpfen
sich so ernste und traurige Betrachtungen an das
Werk, dass die Freude keine ganze sein kann, und
zu schwach ist wohl die Sprache von Bildern, wenn
sie nicht von der Kirche geweiht und geheiligt in
ihr eigentliches Verhältnis treten.« Eine solche Neben-
einanderstellung des öffentlichen und des geheimen
Verhaltens Steinle's seinem in jeder Weise edelgesinnten
und edelhandelnden Auftraggeber gegenüber macht
einen recht unerfreulichen Eindruck. Und doch
erscheint dabei Steinle kaum persönlich verantwortlich:
er handelt unter vollster Zustimmung und als ob es
ganz selbstverständlich wäre so, und daher nur als
einzelnes Glied der starken, eroberungssüchtigen Kirche,
die, einer grossen Spinne gleich, langsam, aber sicher
ihre unsichtbaren Fäden zu einem immer festeren
Netze zusammenzieht, in dem die unbefangenen und
vertrauensvollen Seelen allmählich gefangen werden
sollen. Es ist die Streitweise der Jesuiten, die Steinle
daher auch im höchsten Grade liebt. Ein recht
drastisches Beispiel für dies Verfahren der Kirche und
den Beifall ihres getreuen Sohnes giebt Steinles Bericht
vom 2.Jannar 1874 aus Frankfurt (II, S. 427): »Denken
Sie, wie glücklich ich war, durch acht Monate hier
einen verborgenen Jesuiten (P. de Doss) zu haben;
es war mir merkwürdig zu sehen, wie sich um diesen
Mann alles Gute ankrystallisierte, und welche Wirk-
samkeit er selbst in der Verkleidung besonders auf
die Geistlichen ausübte —; leider hat ihn endlich
P. Beckx nach Belgien beordert . . . Auf meiner
 
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