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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [3]: die deutschen Maler. Die Plastik
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0268

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519

Nekrologe.

520

obwohl nur gezeichnet, höchst malerisch! — Malerisch
sind auch seine übrigen meist skizzenhaften Darbie-
tungen, sein »Nymphenraub« und seine »Siegesnach-
richten«. Unter den Arbeiten der Luitpoldgruppe
hebe ich weiter rühmend hervor Carl Hartmann's
meisterhaft abgestimmte, feierlich gehaltene »Pietä«,
Messerschmidt's ausserordentlich poetisch empfundene
Bilder aus der alten Zeit, »Dämmerung« und das
reizend gemütliche Aus einer kleinen Stadt», Thal-
maier's gross empfundenes Stimmungsbild »Isarthal«,
Palmie's »Spree«, das durch meisterhafte Behandlung
des Wassers ausgezeichnet ist, P. O. Müller's Wald-
lichtung«, Fritz Baer's kraftvoll abgestimmter »Blick
ins Mühlthal , das mehr befriedigt, als seine Ge-
treideernte«, Küstner's Letzter Schnee«, das besonders
in der Farbe sehr gut ist, und Ph. Otto Schaefer's
wildbewegtes gut komponiertes grosses Bild »Cen-
taurenkampf«, das trotz der Bewegtheit der darge-
stellten Scene sehr ruhig wirkt. -

Unter der ziemlich umfangreichen Ausstellung der
Kunstgenossenschaft München findet sich verhältnis-
mässig nicht viel Erwähnenswertes. Erstaunlich ist,
dass Bilder, die so süsslich und künstlerisch wenig be-
deutend sind, wie Frank Kjrchbach's» Jung Eva«, Gliick-
lich's »Kinderreigen« und Paul Wagner's »Psyche«
die Münchner Kunst in der Reichshauptstadt mitver-
treten sollen. Nur verhältnismässig Weniges ist es,
wie gesagt, was für derartige harte Brocken entschä-
digt. Zu diesem Wenigen gehört vor allem der
Morgen bei Dachau« von Fr. v. Loen. Das ist ein
wundervolles grossartiges Gemälde voll ursprünglicher
Kraft. Wie fein ist der aufsteigende Nebel geschildert,
wie fein der frische duftige Hauch des Morgens, der
über der Flur liegt. Dieses Bild ist ein wahrhaft er-
quickender Lichtblick, und ganz an die Seite zu stellen
ist ihm hier wohl nichts. — Aber auch Henri Oogarten
liefert in seinem »Bei Dachau ein sehr gutes Bild, nicht
minder Adalbert Wex in seinem Abend bei Warten-
berg , bei dem Himmel und Beleuchtung ebenso brillant
gemalt ist, wie der Blick in die Ferne der Ebene.
Edwin Perkuhn.'s Elchwild in der kurischen Nehrung«
ist ebenfalls eine sehr frische gute Arbeit und Paul
Wcber's »Heimkehr« hat, wenn es auch etwas alt
wirkt, doch vieles, was interessiert und erfreut. End-
lich ist noch als eines der besten Werke F. A. Kaul-
bach's Mandolinenspielerin< anzuführen, das im Ton
ganz vorzüglich ist und beweist, dass auch bei sorg-
fältiger Durchführung die Unmittelbarkeit nicht not-
wendig zu leiden braucht. In noch höherem Masse
ist das der Fall bei Anna Marie Wirth's »Antwer-
pener Buchhandlung'. Da ist alles bis ins kleinste
durchgearbeitet, und doch hat die Gesamtheit nicht
im mindesten gelitten. Bewegung und Ausdruck der
beiden Figuren sind ebenso vollendet dargestellt, wie
das ganze fein und ruhig gestimmte Interieur; und
wie unendlich fein ist beispielsweise auch die auf dem
aufgeschlagenen Buche liegende Hand des Besuchers
gemalt. Dieses Bild, an dem gewiss auch ein Kunst-
freund der »guten alten Zeit« seine hohe Freude ge-
habt haben würde, ist ein Meisterwerk ersten Ranges.

In Hinsicht auf die plastischen Darbietungen der

j Ausstellung dominiert fast ausschliesslich Berlin. Von
den grossen Denkmälern, die durchweg nur stoffliches
Interesse haben, kann bei einer Würdigung vom
künstlerischen Standpunkt füglich abgesehen werden,
und dasselbe würde von Gustav Eberlein's Sonder-
ausstellung gelten, wenn sie nicht die Grenze nach
unten zum Teil allzu sehr überschritte. Sein »Bis-
marcks Geist« ist ja zur Freude wohl aller Verehrer
des grossen Mannes und zur Freude vieler Kunst-
freunde seit einiger Zeit aus der Ausstellung entfernt.
In dieser Darstellung konnte ich nichts Geistreiches ent-
decken, vielmehr halte ich sie für eine schwer ver-
ständliche Verirrung künstlerischen Geschmackes.
Die Bemerkung im Katalog: frei ohne Modell aus
einem Marmorblock gehauen, mag als Beweis grosser
Kunstfertigkeit gelten, aber den Kunstwert erhöht

j dergleichen nicht. Der Hauptzug in den anderen
Werken ist etwas Phrasenhaftes, so besonders in der
»Dantebüste« und dem Christus mit der Dornen-
krone«. Und was soll diese übertriebene Skizzen-
haftigkeit der Ausführung? Den Eindruck des
genial Hingeworfenen erweckt sie nicht, vielmehr den
des künstlich Hineingearbeiteten. Endlich wird man
durch den Sterbenden Friedrich den Grossen« an
Magnussen's grossartiges Werk und durch die Gruppe
»Lasset die Kindlein zu mir kommen' an Breuer's
herrliche gleichnamige Arbeit erinnert, was diesen
Schöpfungen Eberlein's wahrlich nicht zum Vorteil
gereicht. —

Im übrigen sei ausser dem grossen »Bogen-
schützen von Geyger&Lina-F\orenzundLudwigCauer's
fein, wenn auch etwas weichlich aufgefassten Tele-
machos noch auf zahlreiche sehr gute Porträtbiisten
und Kleinplastiken hingewiesen. Von ersteren nenne
ich, um einige zu erwähnen, P. v. Woedtke's vor-
treffliche Männliche Büste«, Gottl. Elster's »Junges
Mädchen , Rauin's Bildnisbüste, A. v. Madeyski's
»Kleine Mailänderin , G. Zavatti's »Neapolitanisches
Mädchen und M. Baumbach's brillante Büste des
Professors Ludwig Pietsch, sowie Gerhard Janensch's
Bildnis des Herrn Berger-Witten«. — Unter den
Kleinplastiken verdienen u. a. die graziösen Arbeiten
! von Lew in-Funcke, die »Flora« von Constantin Starck,
Morin's »Grossvater<, Möller's -Früchtesammlerin«,
Lepke's -Überrascht', Erich Hösel's »Orientalischer
Musikant , Wernekirnk's Tiergruppe »Durst«, Pöppel-
mann's -Reigen« und Bruno Kruse's Plaketten her-
vorgehoben zu werden.

NEKROLOGE

Braunschweig. Am 12. August entschlief hier nach
längerer schwerer Krankheit Hermann Riegel. Mit ihm ist
wieder einer aus der Zahl der älteren Kunsthistoriker da-
hingegangen, ein Mann, der, wie man auch über seinen Stand-
punkt der Kunst gegenüber urteilen mag, doch eine reiche
Thätigkeit als Kunstschriftsteller wie als Museumsleiter entfal-
tet und auf beiden Gebieten vieles Verdienstvolle hinterlassen
hat. Geboren am 27. Februar 1834 zu Potsdam, studierte R.
in Berlin Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte, war
dann eine Zeitlang schriftstellerisch dort thätig und wurde,
nachdem er inzwischen grössere Reisen gemacht hatte,
 
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