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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Ludwig Knaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0137

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Professor Dr. Max Og. Zimmermann-

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. XI. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 17. 1. März.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer,
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, 330 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

LUDWIG KNAUS.
In den Tagen, deren Parole ganz besonders auf
dem Gebiet der bildenden Kunst lautet: »Umwertung
aller Werte« und »Sturm und Drang«, in einer Zeit,
wo der brausende Strom kecker Jugend alles hinweg-
zureissen sich vermisst, was bis dahin als ehrwürdig
und bedeutend galt, muss es fast befremden, dass an
einzelnen wenigen Grössen der älteren Generation
jene reissende Flut ruhig vorüberwallt. Wie kommt
es, dass diese Jugend, die heute viel mehr schnell
fertig ist mit dem Wort als je, und die, weil sie
Platz brauchte, ohne Rücksicht auf Tradition und
Pietät, sich Platz zu machen wusste, die Throne
gestürzt und Throne aufgerichtet hat wie kommt es,
so muss man fragen, dass sie z. B. vor Ludwig
Knaus wie in schweigender Achtung innegehalten
hat? - Er ist nicht einer, der in seiner Kunst jung
zu sein vermag mit den Jungen; dass ihm das ver-
sagt ist, beweist sein »Reigen«, der als neuestes seiner
Werke der Ausstellung seiner Schöpfungen in der
Berliner Kunstakademie einverleibt ist. Er ist auch
nicht einer von jenen Grossen, deren Kunst über
ihrer und damit aller Zeit erhaben, etwas ausser
airer Zeit Blühendes ist, wie in unseren Tagen die
Böcklin, Menzel und Lenbach. Nein, an solcher
Riesengrösse kann man ihn nicht messen. Auch er
zwar ist ein Meister, und er war einst ein Ziel, auch
er ist ein Bergesgipfel, aber nicht einer von denen, deren
Wolkenhöhe die Menschheit erst aus grösserer Weite
staunend erkennt, sondern ein Gipfel nur für jene Zeit,
die in künstlerischen Dingen für das Liebliche, Ge-
mütliche, Beschauliche Sinn hatte, deren Sehnsucht
aber nicht auf das Erhabene und Grossartige gerich-
tet war. Ihm ist darum ein glückliches Los gefallen,
nicht das jener Grössten, die ihr volles Herz nicht
wahrten«, und die man verkannt, verlästert, die man
von je gekreuzigt und verbrannt hat«, ehe man sich
herbeiliess, sie verstehen zu wollen. Ludwig Knaus
ist von Beginn seiner Laufbahn die Anerkennung
seiner Mitwelt in seltenem Masse zuteil geworden, sie
fehlt ihm, wenn auch nicht so uneingeschränkt, noch
heute* nicht, und auf lange hinaus wird sie ihm auch

die Nachwelt nicht versagen: man wird ihn immer
lieben und verehren! Und darin liegt es! Wir
lieben ihn! — Darum lieben und verehren wir ihn,
weil wir fühlen, dass seine Kunst seinem tiefsten und
eigensten Wesen entspricht, dass sie also in gewissem
Sinne wahr, frisch und echt, und dass sie deutsch
ist. Es ist nichts Fremdes, nichts Anempfundenes in
seiner Art, er giebt uns alles, was er besitzt; aber er
giebt auch nicht mehr, und daran erfreuen wir uns,
denn es entspricht der deutschen Anschauung, dass nur
»ein Schelm mehr giebt, als er hat«.

Allein indem das gesagt wird, klingt in das Lob
hinein auch zugleich ein leiser Ton, der die Gren-
zen dieser Künstlerschaft andeutet. Was Knaus malt,
entspricht seinem Wesen, aber nicht, oder doch
selten, zugleich dem tiefsten Wesen dessen, was er
malt. So ist er auch nicht, was man wohl behauptet
hat, ein Humorist, sondern nur ein Mann, der Sinn
für Humor hat. Seine Gestalten sind nicht humo-
ristisch, er sucht sie uns nur mit mehr oder weniger
Gelingen humoristisch zu schildern. Seine Modelle
sagen uns: So hat uns ein Maler gesehen, weil er
uns so sehen wollte , aber nicht »so sind wir!
Seine Genrebilder muten an, wie Scenen auf der
Bühne eines Theaters, ihre Gestalten wie Schauspieler,
denen von einem guten Regisseur eine ganz bestimmte
Rolle zugewiesen wurde. Und so ist es auch, denn
was er uns schildert, sind meistens kleine Begeben-
heiten, die er nicht geschaut oder erlebt, sondern die
er sich ausgedacht, wie ein Dichter erfunden hat.
Man muss den Künstler über seinem Werk vergessen,
das kann man bei Knaus nicht. Ja, man kann sagen;
Knaus selbst ist in allen seinen Bildern die Haupt-
sache. Nicht zu ergreifen, zu belustigen im höchsten
Sinne vermögen sie uns, aber man sagt sich: wie
liebenswürdig sind diese Menschen, diese Scenen auf-
gefasst, wie hat diese Situation, die er uns da schildert,
den Maler ergriffen oder belustigt. Und welch ein
freundliches gütiges Herz muss er besitzen, wie viel
Freude an der Poesie des Lebens.

Damit hängt eine andere merkwürdige Erschei-
nung auf das engste zusammen. Der Begriff »Stirn-
 
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