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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Über das Photographieren von Ölgemälden in öffentlichen Galerien
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Professor Dr. Max Go. Zimmermann

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 23. 26. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. - Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Oewahr. Inserate, a 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexped itionen von Haasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ÜBER DAS PHOTOGRAPHIE REN VON
ÖLGEMÄLDEN IN ÖFFENTLICHEN GALERIEN.

Das Vergänglichste des vergänglichen Kunstschönen
sind ohne Zweifel die Gemälde; Bauten und Bild-
werke haben sich aus dem Altertum herübergerettet,
Bilder von Bedeutung fast nicht. Die Bilder sind
des sorgfältigsten Schutzes bedürftig, weil sie am we-
nigsten Körper haben; nur ein Hauch von Pigmenten
auf Holz, Leinwand oder Mauerputz, das ist ihr
irdisch Teil, aus der das Göttliche, die farbige Harmonie,
so leicht entflieht. Der Konservator einer Galerie von
bedeutenden Gemälden weiss auch, dass die ihm an-
vertrauten Werke unersetzlich sind; für ein verbranntes
Bild von Tizian, für ein verloren gegangenes von
Dürer bietet weder Gold noch Edelstein einen Ersatz.
Die ernsthafte Beschädigung eines seiner Obhut an-
vertrauten Originals kann einem gewissenhaften Kon-
servator den Rest seines Lebens vergällen; und schon
die blosse öffentliche Diskussion von Fälschungen und
Übermalungen, die er zugelassen oder veranlasst hätte,
bringt einen Galeriedirektor leicht in den Harnisch.
In den Werken der grossen Meister wohnt eben eine
unerschöpfliche Kraft, die uns über den Qualm all-
täglicher Niederung hinaushebt; und darum sollen
wir diese Werke, von denen ein steter Wohllaut aus-
geht, auch für ungeborene Geschlechter unberührt be-
wahren.

Diese Erwägungen sind es, welche dazu führen,
kostbare Originale von Rafael, Rembrandt, van Dyck
nicht auf Reisen zu schicken, wenn irgendwo eine
Jubiläumsausstellung veranstaltet wird; man lässt lieber
den Propheten zum Berge kommen, statt umgekehrt.
Erscheint indessen die Reise eines oder mehrerer
Bilder von hohem wissenschaftlichen Interesse, so
schickt man wohl ausnahmsweise einen Holbein oder
einige Cranachs auf Reisen. Aber nicht jedes Bild
verträgt so lebhafte Bewegung, und es giebt eine ganze
Reihe, deren gebrechlicher Zustand die Bestimmung
nötig macht, dass sie nie von der Wand genommen
werden dürfen, so lange die Wand steht. Wer also
diese Bilder sehen will, muss nach ihrem Aufbewahrungs-

orte reisen, und sich im übrigen mit Stichen oder
Photographien begnügen.

So sehr es nun erwünscht ist, dass die wertvollen
Werke erhalten bleiben, ebenso erwünscht scheint es,
dass die Wirkungen, die sie ausüben, möglichst vielen
zugänglich gemacht werde. Das geschieht bis zu
einem gewissen Grade durch die Reproduktionstech-
niken. Stiche und Photographien verhalten sich zu
den Originalen, wie die Klavierauszüge von Oratorien
oder Symphonien zu deren Partituren. Sie sind so
notwendig, wie die Scheidemünze im Geldverkehr.
Um ihren Beruf recht zu erfüllen, sollten diese Nach-
bildungen aber möglichst vollkommen sein; wer An-
derson'sche Photographien und Laurent'sche neben-
einander benutzen muss, versteht dies ohne weiteres.
Die Bemühungen der Firma Braun, Clement & Co.,
die Hanfstängl'schen Photographien und die Helio-
gravüren der Photographischen Gesellschaft haben
nicht nur der kunsthistorischen Forschung, sondern
der Liebe zum Schönen ausserordentlichen Vorschub
geleistet. Die stillen, segensreichen Kräfte, die von
den Werken grosser Meister ausgehen, ihre erziehe-
rischen, bildenden Wirkungen werden dadurch ver-
mehrt und fachen die glimmenden Funken der Nei-
gung zum Kunstschönen hundertfältig zur hellen
Flamme an.

Hat die Allgemeinheit also einerseits ein Recht,
zu verlangen, dass die Originalwerke des grösstmög-
lichsten Schutzes geniessen, so darf sie anderseits er-
warten, dass die Nachbildungen, die davon gemacht
werden, von möglichst guter Qualität und zugleich
möglichst wohlfeil seien.

Die reproduzierenden Techniken sind nun seit
Jahrzehnten in einer mächtigen Entwicklung begriffen.
Jedes Jahr werden neue Verbesserungen entdeckt, neue
Hilfsmittel konstruiert, und die Folge ist, dass die
Qualität der vorhandenen Aufnahmen rasch veraltet.
Hieraus würde folgen, dass die Bestände einer be-
deutenden Galerie von Zeit zu Zeit wieder neu auf-
genommen werden sollten, wenn nämlich der Fort-
schritt der Technik dies rechtfertigt. Dem wider-
 
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