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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Über das Photographieren von Ölgemälden in öffentlichen Galerien
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Über das Photographieren von Ölgemälden in öffentlichen Galerien.

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spricht aber nun die Kostbarkeit und Unersetzlichkeit
der Meisterwerke.

Nach welchen Grundsätzen nun sollte hier ver-
fahren werden, um die einander entgegenstehenden
Gründe in Einklang zu bringen?

Keine Galerieverwaltung, die sich ihrer Verant-
wortlichkeit bewusst ist, wird demjenigen die Auf-
nahme der Originale gestatten, der nicht Proben seiner
Leistungsfähigkeit abgelegt hat. Bietet der Gesuchs-
steiler nicht Gewähr dafür, dass er die bestehende
Qualität seiner Vorgänger zu übertreffen imstande
ist, so wird ein vorsichtiger Konservator ihn ab-
schlägig bescheiden; denn die Störungen und Fähr-
lichkeiten der Aufnahme werden von dem zu erwar-
tenden Resultat nicht gerechtfertigt. Ein anderer Ge-
sichtspunkt ist der der Wohlfeilheit. Von gewissen
Galerien giebt es nur sehr teure Aufnahmen; es er-
scheint dankenswert, wenn ein geübter Photograph
die Schätze des Museums weiteren Kreisen zugäng-
lich machen will, indem er Photographien von guter
Qualität in den Handel zu bringen beabsichtigt, die
nur ein Zehntel des Preises der bisherigen kosten.
So wäre z. B. für Spanien ein Alinari oder Brogi
dringend erwünscht. Dagegen könnte es den Ver-
waltern italienischer Galerien z. B. nicht verdacht
werden, wenn sie Gesuche ablehnen, die nur neue
Aufnahmen, aber nicht bessere oder bei der bis-
herigen Qualität wohlfeilere, bezwecken.

Die Genehmigung eines Gesuchs um Aufnahmen
in einer Galerie von Bedeutung ist ohne Zweifel eine
Vergünstigung, die von Mitstrebenden auf diesem
Gebiete als eine Bevorzugung empfunden wird. Eine
grosse Pariser Firma klagte einst gegen die Direktion
des Louvre wegen Gestattung von photographischen
Aufnahmen, als dieses Gesuch abgelehnt worden war;
sie empfand vermutlich eine Art Missbehagen, und
suchte ein vermeintliches Recht geltend zu machen.
Der Prozess ging natürlich zu Ungunsten der kla-
genden Firma aus. Im allgemeinen pflegten die
Direktionen den einheimischen, speziell den Lokal-
photographen den Vorzug zu geben und, wenn deren
Leistungen auf gleicher Höhe stehen, gewiss mit
Recht. Gewiss ist, dass die Direktoren bedeutender
Galerien mit Gesuchen überlaufen sind; einige lehnen
diese auf Grund bestimmter Vorschriften überhaupt
ab, andere erwägen sorgfältig die Gründe des Gesuchs,
um überflüssige Bewegungen der Bilder zu vermeiden,
noch andere sind sehr liberal und lassen manche
Aufnahme zu, die mit Rücksicht auf den Wert des
Objekts vielleicht besser vermieden worden wäre. Oft
sind es ja Rücksichten besonderer Art, die einen Kon-
servator bestimmen, einem solchen Gesuche stattzugeben,
und mangels besonderer Vorschriften ist ihm ja auch
völlig freigegeben, wie weit er die einander wider-
streitenden Interessen berücksichtigen soll oder nicht.
Es ist natürlich, dass da nicht immer lediglich ob-
jektive Gründe bestimmend sind; der eine empfindet
die Möglichkeit einer Beschädigung schwer, sichert
sich bei der vorgesetzten Behörde die Zustimmung
und entlastet sich so von einer drückenden Verant-

wortlichkeit; ein anderer verfährt souverän, und ist
weniger ängstlich, weil sein Temperament anders ist.

Neben dem Werte spielt der Zustand des betreffen-
den Bildes eine grosse Rolle, vor allem aber ist ent-
scheidend, ob in dem Galeriegebäude ein Atelier ist
oder nicht.

Die meisten Galeriegebäude sind vor Erfindung der
Photographie gebaut worden. Da ist das Fehlen eines
Ateliers ganz natürlich; bei anderen neueren hat man

I von der Einrichtung eines Ateliers überhaupt Abstand
genommen, um die Neigung zu öfter wiederholter
Aufnahme der Bilder einzuschränken. Bei Samm-
lungen, die in ständigem Wachstum befindlich sind,
mag der Leitung die Einrichtung eines Ateliers er-
wünscht erscheinen; im allgemeinen wird ein Galerie-

: direktor eher eine Abneigung für die Errichtung eines

| solchen haben.

In solchen Fällen nun, wo kein Atelier zur Ver-

I fügung steht, erscheint die Aufnahme der Sammlung
durch den Photographen stets als ein grosses Wagnis.
Die Bilder müssen dann in ein ausserhalb des Ge-
bäudes errichtetes Atelier transportiert werden, was die
Gefahr der Beschädigung sehr vermehrt. Im Museum
selbst sind gute Aufnahmen wegen der ungenügenden
Beleuchtung, vor allem wegen der Reflexe, die jeden
Photographen schrecken und manchmal zur Ver-
zweiflung bringen, unmöglich. Diese Störungen der
Aufnahme treten besonders dann hervor, wenn sich
in den Bildern eingeschlagene Stellen finden; es treten
dabei Flecke auf, die nur durch starke Lichtzufuhr
einigermassen korrigiert werden können. Sollen nun
aus allen diesen Gründen die Gemälde lieber gänz-
lich unphotographiert bleiben? Wer diese Frage
bejaht, entzieht der kunsthistorischen Wissenschaft
ein wichtiges Material. Mit der Zeit wird die
Forderung, dass alle wichtigen Kunstwerke durch die
Photographie in guten Aufnahmen zugänglich ge-
macht werden, sich mit immer stärkerer Energie gel-
tend machen.

Die Vergünstigung, eine bedeutende Galerie auf-
nehmen zu dürfen und von den Aufnahmen Nutzen
zu ziehen, erscheint an sich so wertvoll, dass die
Direktionen mit vollem Recht daran allerhand Be-
dingungen knüpfen. Einesteils fordern sie eine An-
zahl Abdrücke gratis oder bedingen sich aus, im Be-
darfsfalle auf eine Reihe von Jahren oder auf unbe-
schränkte Zeit Kopien ohne Entgelt zu erhalten;
andernteils verlangen sie, dass der Photograph ausser
der von ihm eingereichten Liste noch eine Anzahl
Aufnahmen mache und in den Handel bringe, deren
Vorhandensein im Interesse der kunsthistorischen
Forschungen erwünscht erscheint. Unseres Erachtens
kann die Direktion einer Galerie sich durch weitere
Bedingungen vor überflüssigen Gesuchen um Auf-
nahmen leicht schützen; indem sie nämlich zur Be-
dingung macht, dass der Photograph von jeder Auf-
nahme, die er macht, zwei Negative herstellt, von
denen die eine in den Besitz der Galerie übergeht,
und nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist von
dieser in Benutzung genommen wird.

Die Photographien haben nämlich eine sehr be-
 
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