Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Über das Photographieren von Ölgemälden in öffentlichen Galerien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0187

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
357

Über das Photographieren von Ölgemälden in öffentlichen Galerien.

358

greifliche Neigung, ihre Produkte möglichst zu mono-
polisieren, und die Schutzfrist, die das Gesetz ihnen
einräumt, nach Möglichkeit zu verlängern. Das
deutsche Gesetz gewährt eine fünfjährige Schutzfrist
und schreibt deshalb vor, dass jede Kopie den Na-
men und die Jahreszahl des ersten Erscheinens ent-
halten solle, widrigenfalls sie nicht geschützt ist. Die
Photographen würden durch Erfüllung dieser Vor-
schrift sofort erkennbar machen, ob die Aufnahme
noch Schutz geniesst oder nicht. Es hat sich aber
die Praxis eingebürgert, die Kopien mit Trocken-
stempeln zu versehen, die zwar eine Jahreszahl, aber
nicht die des ersten Erscheinens, enthalten. Einige
Firmen haben die Gewohnheit angenommen, ihre
Kopien mit dem Jahr der Anfertigung der Kopie ab-
zustempeln, offenbar um den Anschein zu erwecken,
als sei eine Aufnahme, deren Schutzfrist längst abge-
laufen ist, noch geschützt. Man kann nun bei Auf-
nahmen von Architekturen an der Staffage und andern
Kennzeichen leicht die Identität einer Aufnahme, deren
Kopien verschiedene Jahreszahlen tragen, nachweisen;
aber bei Aufnahmen von Ölbildern ist dieser Nach-
weis sehr schwer oder gar nicht zu erbringen. In
vielen Fällen lässt sich nun zwar durch Anfrage bei
der Galerie feststellen, wann eine Aufnahme gemacht
worden ist; aber nicht immer ist das Jahr der Auf-
nahme das Jahr des ersten Erscheinens der Photo-
graphie. Die Ausgabe der Kopien kann vielmehr
noch mehrere Jahre hinausgeschoben werden; und
wenn die Ausgabe von Photographien, die 1900
aufgenommen wurden, erst 1903 erfolgt, so sind diese
Aufnahmen bis zum Jahre 1908 einschliesslich ge-
schützt, wenn sie den Namen des Urhebers und das
Jahr 1903 tragen. Versieht der Photograph jedoch
seine Kopien im Jahre 1904 mit dieser Jahreszahl,
statt mit der des ersten Erscheinens, so beraubt er
diese Kopien eigentlich des gesetzlichen Schutzes, den
sie behalten, wenn sie alle das Jahr 1903 tragen.
Aber die Erwägung, dass das Vorhandensein einer
Jahreszahl neben dem Namen die mechanische Nach-
bildung bedenklich macht, veranlasst viele Firmen,
ihre Kopien mit Jahreszahlen zu versehen, die nicht
das Erscheinungsjahr angeben, sondern meist das
Verkaufsjahr der Kopie.

Dadurch erreichen sie, dass die Benutzer noch
Lizenzen zahlen, wenn auch die Schutzfrist längst ab-
gelaufen ist.

In vielen Fällen nun, wenn es sich um Verviel-
fältigung eines Bildes in Lichtdruck oder Helio-
gravüre handelt, genügt die Benutzung einer Papier-
kopie, die im Handel zu haben ist, nicht, sondern es
muss ein Originalnegativ beschafft werden. Da die
photographischen Anstalten, die glückliche Besitzer
von Originalnegativen sind, weder solche auch gegen
hohe Entschädigung abgeben, noch Duplikate ver-
kaufen, so bleibt nichts übrig, als ein Gesuch um
Gestattung einer neuen Anfnahme einzureichen. Der-
gleichen ereignet sich häufiger, als man denkt; und
in solchen Fällen würde nun ein Plattenarchiv der
Galerie gute Dienste thun. Natürlich müsste die
Leitung der Galerie mit der Benutzung ihrer Platten

j warten, bis die Schutzfrist des Photographen abge-
laufen ist, damit dieser völlig Zeit hat, seine Vorteile

! wahrzunehmen.

Vielleicht erscheint unser Vorschlag manchen als
eine Ungerechtigkeit, insofern die Galerie nach Ver-
streichung einer angemessenen Frist in Besitz eines

! Plattenschatzes kommt, der nun den im Handel be-
findlichen Photographien Abbruch thun könnte. Dieser
Einwand ist nicht stichhaltig. Eine Stadtverwaltung,
die die Konzession zu einer Strassenbahn erteilt,
pflegt als Bedingung aufzustellen, dass nach einer an-
gemessnen Frist, etwa nach 25 Jahren, die ganze
Bahn mit allem Inventar in den Besitz der Stadtver-
waltung übergehen soll. Das findet jedermann in
der Ordnung, weil man sich sagt, dass nach dieser
Frist das Ganze amortisiert ist und die Unternehmer
mit Hilfe des städtischen Verkehrs einen beträchtlichen
Gewinn gemacht haben werden. Warum soll bei
einer staatlichen Galerie der Nutzen, der aus Bildern,
die Millionen gekostet haben, gezogen wird, nicht
dieser Galerie zum Teil wieder zugeführt werden
dürfen? Ja, es erscheint eigentlich wunderlich, dass
der Staat, der sonst geneigt ist, seine Vorteile, wo
er kann, wahrzunehmen, der die Post, die Eisenbahn
für sich in Beschlag nimmt, warum er nicht hier,

I wo es sich um sein mit hohen Summen erkauftes
Eigentum handelt, grössere Vorteile ausbedingt, als
bisher geschehen ist. Der Umstand, dass die ange-

; legten Kapitalien ohne materiellen Ertrag bleiben,
spricht doch dafür, aus den Vervielfältigungen der
Bilder Nutzen zu ziehen. Die Anlagekosten wären
gleich Null und die Herstellung der Kopien ist so
einfach, dass ein Aufseher sie sehr leicht besorgen
kann, ohne seine Pflichten irgendwie zu vernach-
lässigen.

Damit soll aber durchaus nicht der staatlichen
! Monopolisierung der Photographien nach den Galerie-
bildern das Wort geredet werden. Im Gegenteil.
Hier handelt es sich um einen Berufszweig, der in
steter Entwicklung begriffen ist; da ist die freie Kon-
kurrenz sehr förderlich, ja eigentlich für Erzielung der
besten Qualität unerlässlich. Denn fast überall da,
wo es sich um Fortschritt handelt, pflegt die Staats-
maschine hinter den beweglicheren Privatanstalten
zurückzubleiben, und wenn der Staat den Handel mit
Photographien seiner Galeriegemälde monopolisierte,
würde vermutlich eine gewisse Stagnation eintreten,
die nichts weniger als erwünscht ist.

Zwei Forderungen sind es somit, die wir hier
erheben: Einerseits grösstmöglichster Schutz der Bilder,
und daher Reduktion der photographischen Aufnahmen
auf ein Minimum; und ferner die beste mögliche
Qualität der existierenden Aufnahmen; beides liegt
im Interesse nicht nur der kunstgeschichtlichen Wissen-
schaft, sondern der Allgemeinheit überhaupt. Schreitet
die photographische Technik fort, so sollte auch eine
neue Aufnahme der Galerie bewilligt werden; kann
der Gesuchsteller aber bei einer abgelegten Probe die
Qualität des Bestehenden nicht verbessern, so liegt
es nicht im Interesse der Allgemeinheit, die kost-
baren Werke seinetwegen in Bewegung zu setzen.
 
Annotationen