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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Dodgson, Campbell: Wer war Martin Schiffelin?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0132

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247

Bücherschau.

248

Ich bilde mir nicht ein, dass ich durch die Publi- I
zierung des blossen Namens eines neuen Malers die
Forschung wesentlich gefördert habe, aber vielleicht
bahnt diese zufällige Entdeckung zu weiteren Auf-
schlüssen den Weg. CAMPBELL DODQSON.

BÜCHERSCHAU

Frederie Lord Leighton Late President of the Royal
Aeademy of arts. An illustrated record of his life and
work by Eraest Rhys. London O. Bell & Sons 1898.
Seitdem das vorliegende Werk zum erstenmal erschien
(1895), ist der Künstler, dessen Schaffen es behandelt, aus
dem Leben geschieden (f 13. Januar 1896). Die grosse
Ausstellung seiner Werke in Burlington House (Winter 1896)
hat noch einmal einen Überblick über diese reiche Künster-
laufbahn gestattet, der auch diesem Buch zu gute gekommen
ist. Leighton's Leben wird in zehn Kapiteln von verschie-
denen Seiten aus betrachtet: der Darstellung seiner Jugend-
entwicklung folgt (in vier Kapiteln) eine regestenmässig
getreue Aufzählung dessen, was er Jahr für Jahr — von
1855 bis 1896 — geschaffen und öffentlich ausgestellt hat. I
Seine Arbeitsweise wird von dem ihm nahestehenden M.
H. Spieiniann sorgfältig auseinandergesetzt; Bemerkungen
über Leighton's dekorative Arbeiten, über seine, Fragen der
Kunst behandelnden, Akademie-Reden, sein Haus und die
Kritiken, die seiner Kunst gewidmet wurden, sind angereiht.
Man erfährt alles Wissenswürdige und vielerlei Interessantes, 1
das den Künstler nicht minder bezeichnet, als seine künst-
lerische Laufbahn. Leighton hat einem deutschen Künstler
viel zu danken gehabt. Frühzeitig in die Welt hinaus
wandernd, hatte der Knabe in Florenz einen Übeln Manie-
rismus gelernt, den er erst in der strengen Schule Steinle's
ablegte. Noch in höheren Jahren soll der Meister mit ;
Wärme des Frankfurter Lehrers gedacht haben, von dem
er auch in seinem Hause eine Zeichnung bewahrte. Ein
Jahr hat er das Städel'sche Institut besucht, in dessen
Sammlung, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, Studien
aus seiner damaligen Zeit aufbewahrt werden. Von Steinle
ward er nach Rom gewiesen und an Cornelius empfohlen,
auf dessen Rat er in seinem ersten grossen Werk — »Cima-
bues Madonna in Prozession geleitet — eine wesent-
liche Änderung (die Spitze des Zuges schreitet nunmehr
dem Beschauer entgegen) vornahm. Ausser dem Deutschen
gewann Bouguereau Einfluss auf den Künstler. Auf deut-
schen Kunstausstellungen sind wohl nur gelegentlich Bilder |
von Leighton erschienen: so war in Berlin vor Jahren das
schone Bild Sommernacht ausgestellt, das in eigentüm- I
lieber Weise an Englands grössten Kunstbesitz, die Gruppe
der sog. »Thauschwestern vom Parthenon-Giebel erinnert, j
Dagegen sind einige seiner Werke auch bei uns in Nach- j
bildungen verbreitet, wie etwa die »Gefangene Cassandra«
oder das »Bad der Psyche«: sie besitzen Eigenschaften,
die sie dem Geschmack weiterer Kreise empfehlen. Damit
ist die Frage nach Leighton's künstlerischer Bedeutung
berührt. War er wirklich ebenso gross als Künstler,
als er populär gewesen ist, und wird eine richtende Kritik
der Zukunft seinen Werken die hervorragende Stellung
geben, die — allzu natürlich! — der Biograph ihm zuweist?
Wer das reiche Illustrationsmaterial, mit dem die Verlags-
handlung das Buch ausgestattet hat, durchsieht, wird Zweifel
in sich aufsteigen fühlen. Nicht an der natürlichen Be-
gabung des Künstlers: denn diese war unleugbar sehr
gross. Die Natur hatte ihm ein seltenes Liniengefühl mit-
gegeben, und die feinste künstlerische Einsicht verrät sich J
überall in dem Verhältnis der Figuren zu den Raumflächen I

der Bilder. Ein eherner Fleiss und sich stets wieder
kontrollierende Gewissenhaftigkeit brachten diese Gaben
zu reifer Entfaltung. Nicht selten hat Leighton Figuren
sorgfältig durchmodelliert, um ein Bewegungsmotiv in allen
Teilen zu erfassen: kleine Skulpturen, zu [diesem Zwecke
geformt, konnte man in seinem Atelier sehen; eine der-
selben ist einmal von Kennern für ein antikes Werk an-
gesehen worden, und unzweifelhaft wird man z. B. die
kleine Figur mit herabhängenden Armen — Studie zum
Cymon« — ein hervorragend fein empfundenes Werk
moderner Skulptur nennen. Die Zeichnungen, die Leighton
auf Grund der sorgfältigsten Vorstudien entwarf, und in
denen er etwa, indem er das Linienmotiv des Körpers nur
im Umriss andeutete, den Faltenwurf in allen Einzelheiten
durcharbeitete — mit Kreide, meist auf bräunlichem Papier
sind oft wundervollA(z. B. die Studie für »Das Bad der
Psyche«). Aber die fertigen Werke vermögen, trotz der
unleugbaren Qualitäten, nicht den gleichen Eindruck hervor-
zurufen, wie diese Studien. Weder kann man dem Ver-
fasser zustimmen, wenn er von dem Künstler sagt: »he
was never archaic , noch wo er die Behauptung aufstellt,
Leighton sei — im Gegensatz zu Millais — nie zu dem
Geschmack der grossen Menge herabgestiegen. Denn
wenn das Letztere richtig ist, so macht man ihm den viel
schlimmeren Vorwurf, oft banal gewesen zu sein und daher
den Instinkt der Masse ausgesprochen zu haben. Den
grössten Erfolg hat er eben doch mit Arbeiten davon-
getragen, die künstlerisch minderwertig sind: nicht umsonst
ist das »Bad der Psyche« — als Bild so schwach, besonders
wenn man die Studie daneben sieht — sein populärstes Bild,
auch im Ausland, geworden. Oftmals meint man, Leighton's
grosse Eigenschaften kaum noch in solchen Werken ent-
decken zu können. Betrübend bleibt es, dass gerade diese
Arbeiten vielfach das zukünftige Bild des Meisters bestimmen
werden. Die Zeichnungen werden sich in die Kartons der
Sammler bergen. Und mit Leighton zu Ende gegangen
ist, was wahrhaft entzückte: der Mensch. Die Schönheit
seiner Erscheinung, der Zauber seines Wesens waren sehr
gross. Gegen jeden liebenswürdig, gewann er den Besucher
sofort. Dazu kam der starke Eindruck der Umgebung:
unten'neben dem Eingangsraum die maurische Halle, mit
kostbaren Kacheln bedeckt; erlesene Bilder oben — denn
Leighton war ein feiner Kenner alter und moderner
Kunst; es war ein Genuss, mit ihm darüber zu sprechen.
Laut letztwilliger Bestimmung wird das Haus, diese künst-
lerische Schöpfung, erhalten bleiben. — Dem deutschen
Leser dieses so reich ausgestatteten Buches, das der be-
rühmten Verlagsfirma Ehre macht, mag der Gedanke
kommen, dass es wünschenswert wäre nach englischem
Muster den grossen deutschen Künstlern unserer Zeit ähn-
liche biographische Denkmale zu setzen. An Werken, die
durch ihren Preis von vornherein_für,wenige_Menschen zu-
gänglich gemacht sind, auch an solchen, deren Wohlfeilheit
nur durch geringere Qualität der Illustrationen und der
typographischen Ausstattung möglich ist, fehlt es nicht,
wohl aber an Büchern, wie sie in England nicht selten
sind, die trefflich ausgestattet und nicht übertrieben teuer
sind. Gerade diese Leighton-Biographie könnte, von diesem
Gesichtspunkt aus betrachtet, vorbildlich sein. q. gr.

Die Entwicklung Münchens unter dem Einflüsse der
Naturwissenschaften während der letzten Dezennien.
München, gr. 8°. 1899.

Diese Festschrift verdient Erwähnung hier wegen ihrer
Ausstattung oder besser gesagt wegen eines Teils ihrer
Ausstattung, nämlich der Kopfleisten und Titelbilder des
Zeichners F. Hegenbart, dem man heute schon oft in der
Münchener Jugend, den Fliegenden Blättern etc. begegnet.
 
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