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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Schmidt, Wilhelm: Zur Cranachausstellung
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Der Palast des Federico da Montefeltro zu Gubbio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0082

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Der Palast des Federico da Montefeltro zu Gubbio.

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wandtschaft zu dem Schleissheimer Kruzifixus (z. B.
Bildung der Hände, Wolken).

Die Höllenfahrt und Auferstehung Christi in
Aschaffenburg (No. 155), die übrigens ziemlich gleich-
gültig gemalt ist, zeigt in den Typen zu grosse Verwandt-
schaft mit den TorgauerNothelfern und dem Katharinen-
altar, um nicht zu spät von diesen gesetzt zu werden.

In die Nähe davon, etwa zwischen 1507 — 1510,
dürfte gleichfalls der Wörlitzer Flügelaltar (No. 127)
zu setzen sein, der, wie auch schon besonders das Fiedler-
sche Bild, deutlich predigt, dass Cranach in Italien
gewesen war. Venedig hat er sicher gesehen, und
auch die Mailändische Kunst hat ihren Einfluss auf
ihn ausgeübt. Komposition und Formengebung dieser
beiden herrlichen Werke hätte der Maler sicher nicht
ohne genauere Kenntnis italienischer Kunstwerke zu
Stande gebracht. Woher stammten denn sonst die
reizenden Putti her, die abgewogene Komposition
und die feinen Typen der Madonna und der Heiligen?

Andere mehr oder weniger frühe Gemälde muss ich
hier übergehen; auf die Beweinung Christi in Budapest
(No. 144) komme ich vielleicht gelegentlich zurück.

Wie ich höre, ist der Verlauf der Ausstellung bei
den Fachgenossen der Zuschreibung sämtlicher genann-
ter Werke (Holzschnitte und Gemälde) an einen Meister
nicht günstig gewesen; dennoch muss ich hier darauf
bestehen. Die Schwierigkeit, diese Arbeiten unter
einen Hut zu bringen, mag wohl (abgesehen von der
verschiedenen Erscheinung, die durch den Zustand
der Erhaltung, trüben Firnis, Übermalungen etc. be-
wirkt wird) darin liegen, dass eben Cranach von Haus
aus ein mehr klein und zierlich empfindender Künstler
war; wo er aber grössere Formen oder leidenschaft-
lich bewegte Kompositionen darzustellen hatte, wird
er ungeschickt, teilweise roh, und seine, an sich so
klare und schöne Farbe verfällt in wahllose Buntheit.
Davon ist der Schleisheimer Kruzifixus auch nicht
frei zu sprechen, wenn er auch gemässigter ist, als
die beiden genannten Holzschnitte. Auch die mehr
oder weniger ausführliche Malerei mag bei der Be-
urteilung der Bilder eine verhängnisvolle Rolle spielen.

München, Anfang Oktober.

WILHELM SCHMIDT.

DER PALAST DES FEDERICO DA MONTE-
FELTRO ZU GUBBIO

An einem klaren Herbstmorgen wanderte ich durch
das stille Städtchen Gubbio den Weg zum Palazzo
Ducale hinauf, welcher, an einen steil ansteigenden
Felsen sich anlehnend, die ganze Stadt beherrscht.
Vor mir trabte ein Maulesel mit zwei schweren Säcken
beladen und von einem halbwüchsigen Jungen ge-
führt. Die beiden schlugen die Via Ducale ein und
schienen dasselbe Ziel zu haben wie der Forestiere,
der ihnen folgte. Die wurmstichigen Holzthüren eines
prächtigen Sandsteinportales, in welches die Strasse
mündete, standen weit offen und Junge und Esel
traten ein. Ich folgte ihnen quer durch einen gras-
bewachsenen Schlosshof, durch eine hohe Thüröffnung,
die in einen dunklen Korridor führte, und immer

weiter durch vollständig verwahrloste Räume, bis die
beiden in dem grossen hohen Festsaal des Palastes
Halt machten, wo ein alter Manu den Esel erwartete,
die Säcke öffnete und die riesigen Früchte goldgelber
Maiskolben auf den Boden schüttete. Mehr als die
Hälfte des Saales war schon mit den leuchtenden
Goldkörnern bedeckt, und der Alte erzählte mir, er
habe schon seit Jahren für 40 Franken jährlich vom
Besitzer diesen Saal gepachtet, um seine Maisernte
hier an Luft und Sonne zu trocknen. »Es ist die
einzige Rendita, fügte er hinzu, die der Palazzo ein-
bringt, und der jüngst verstorbene Besitzer verwandte
noch einen Teil derselben auf die Restauration!«

Das ist der Palast, die einst so überaus herrliche
Sommerwohnung des grossen Federico da Monte-
feltro, ein Seitenstück des weltberühmten Palastes
von Urbino und wie dieser die Schöpfung eines der
grössten Vorgänger Bramantes, des Luciano da Lau-
rana. In ganz Italien ist heute kein edleres Denkmal
der Renaissance-Architektur einem so erbarmungslosen
Untergange preisgegeben. Hier selbst im gro ssen
Salone, wo der Esel seine Last niederlegte, haben sich
noch zwei riesige Kamine erhalten mit reichen Archi-
traven und Goldverzierungen auf blauem Grunde.
Die marmorne Einfassung der riesigen 7 Fenster läuft
sich am Boden tot und zeigt ebenso noch Spuren alter
Bemalung, und selbst auf dem Fussboden sieht man noch
die zierlichen Thonfiiesen. In den Fensternischen
hängen müde die eisenbeschlagenen Läden des Quattro-
cento in den losen Angeln, aber sie können nicht

: mehr geschlossen werden, und so haben Wind und
Wetter Tag und Nacht ungehinderten Eingang in
den hoch oben mit einer Holzdecke überdachten Saal.

Und vollständig preisgegeben wie das Haupt-
gemach sind der Hof, die Korridore und die Ge-

; mächer des unteren Stockwerkes. Das obere ist einfach
verbarrikadiert, und seit Menschengedenken ist niemand

: mehr hinaufgeklettert, denn der Boden ist nicht mehr
tragfähig. Aber überall begegnen dem Auge Er-
innerungen an den alten Glanz, es hat sich überall
die versunkene Spur der gottgedachten Schönheit er-
halten. Im Hof wuchern Epheu und Brombeeren an
der Felswand, an welche er sich anlehnt. Die
korinthischen Kapitelle, die das Gebälk der hohen Loggia
tragen, sind zerstört und der Sandstein bröckelt langsam
von den hohen Säulen ab. Das Backsteinwerk des
oberen Stockwerkes hält nicht mehr zusammen, die von
schlanken Pilastern eingerahmten Fenster sind vollständig
zertrümmert. Aber über jedem Thürsturz liest man noch
das FE. DVX. mit den Devisen des Herzogs, dem Kranz,
dem Adler oder auch mit seinem ganzen Wappen in Gold
und Blau gemalt und dem einfachen Ring des Hosen-
bandordens. Von den fünf Kammern, die auf den
Hof gehen, ist nur noch in einer einzigen das Soffitto
erhalten, aber fast überall steht ein mehr oder
minder reich gearbeiteter Kamin. Einige Thürflügel,
an denen man überall eingelegte Arbeit entdeckt,
sieht man noch an Ort und Stelle, andere bewahrt
das Museum der Stadt, noch andere wurden ins
Ausland verkauft.

Das ist der Palast des Federico von Urbino, die
 
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