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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Die Eröffnung der großen Berliner Kunstausstellungen
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Warncke, Paul: Michael Munkacsy
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0203

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389

Michael Munkacsy.

390

Jahre bewiesen. Mögen dem Verkauf von Corinth's
grossem Bilde »Salome« am Firnistage viele andere
folgen! M. Q. Z.

MICHAEL MUNKACSY.

Am Abend des 1. Mai ist Michael Munkacsy zu
Endenich bei Bonn gestorben.

Eine erschütternde Tragödie hat mit diesem Tode
ihren Abschluss gefunden. Aus weltverlorener Ab-
geschiedenheit emporgestiegen zu den Höhen äusseren
Glanzes und künstlerischen Ruhmes durch eigene
Kraft, durch nie rastende Arbeit, ist dieser geniale
Mensch des mühevoll Erreichten kaum jemals froh
geworden. Ein tückischer Dämon stürzte ihn
plötzlich in den finsteren Abgrund über seinen
letzten Jahren lag die düstere Nacht des Wahnsinns.

Und nicht genug, dass er lebendig tot war,
er hat sicli auch selbst überlebt. Aber wenn sein
leuchtender Weltruhm von kurzer Dauer gewesen ist:
in der Geschichte der ungarischen Kunst, der Kunst
seiner Heimat, wird sein Name immer zu den grössten
und gefeiertsten gehören. Nicht, wie so vielfach be-
hauptet wird, weil seine Kunst in hervorragendem
Mass national wäre, nein, weil er der weitaus be-
deutendste Maler war, den Ungarn bisher hervor-
gebracht hat.

Einzelne vaterländische Gemälde, wie »Arpäd«
oder wie die Bilder aus dem ungarischen Volksleben,
die er gemalt hat, »Der Dorfheld«, »Pusstabild«, »Ein-
gefangene Strolche« oder jenes Gemälde, das ihn zu-
erst emporhob, »Der letzte Tag eines Verurteilten«,
können diese Meinung so wenig ändern, wie die
Thatsache, dass er hier und da — es geschah
selten — seine Modelle in seiner Heimat suchte.
Das Kostüm, die Äusserlichkeiten sind ja so un-
-wichtig, und die inneren, undefinierbaren Merkmale
heimischer Kunst sind bei ihm in den weitaus meisten
Fällen gering. Es ist aber ein Beweis für sein grosses
Talent, dass er trotz dieses Mangels ein internationaler
Künstler nicht nur im schlechten Sinne war, dass er
vielmehr Einiges geschaffen hat, was für längere Zeit
Dauer behalten, oder sie wieder erlangen wird.

Michael Munkacsy wurde am 20. Februar 1844
als Sohn des Königl. Salzsteuereinnehmers Michael
Lieb in Munkacz, wonach er später sich nannte, ge-
boren; wie F. Walther llges in seiner kürzlich er-
schienenen Monographie ') nachweist, war die Familie
nicht, wie vielfach gesagt worden ist, jüdischen, son-
dern deutschen Ursprungs. 1848 ward der Vater
nach Miskolz versetzt, wo er bald darauf, nachdem
er im ungarischen Freiheitskrieg sein ganzes Eigen-
tum verloren, seiner schon in Munkacz gestorbenen
zweiten Frau, geb. Roeck, der Mutter Michael's, in den
Tod folgte.

Im November 1851 kam der nun verwaiste Knabe
in das Dorf Czaba zu einem Bruder seiner Mutter,
Stephan Roeck, der ihn drei Jahre später zu dem
Tischler Langi in die Lehre gab. Die Lehrzeit war

1) Bielefeld und Leipzig, Velhagen & Klasing. 8°. 132 S.

überaus hart, so dass Michael einmal davonlief. Aber
er musste zurückkehren und blieb bis zu seinem vier-
zehnten Lebensjahre bei Langi, worauf er als Geselle
nach Arad ging. Sein Verdienst war gering, und
Hunger und Missmut über das ihn nicht befriedigende
Handwerk machten ihn krank, so dass er zu seinem
Onkel Roeck, der inzwischen nach Gyula verzogen
war, zurückkehrte. Dort kopierte er die an den
Wänden hängenden Stiche, zeichnete auch den Onkel
nach der Natur, und eines Abends meinte dieser:
»Du könntest vielleicht Maler werden?« Dieses halb
im Scherz gesprochene Wort konnte der Jüngling
nicht mehr vergessen, und er brachte es schliesslich
dahin, dass ihm erlaubt wurde, bei einem verkom-
menen Maler, namens Fischer, der sich in Gyula auf-
hielt, Zeichen- und Malstunden zu nehmen. Eines
Tages sah die Zeichnungen Munkacsy's der Maler
Szamossy, und er war so entzückt von ihnen, dass

' er sich auf das Eifrigste des Knaben annahm. Mit
diesem Manne ging Michael Munkacsy 1862 auf die
Wanderschaft, zunächst nach Arad. Wieviel er ihm

1 verdankt, hat er selbst 1882 ausgesprochen: »Szamossy,
der mein Talent früher erkannte, als ich selbst, ihm
verdanke ich, was ich geworden bin!«

Nach längerem oder kürzerem Aufenthalt zu Pest,
Wien und München, wo Piloty ihn »absolut talent-
los« nannte, ging Michael Munkacsy 1867 nach
Düsseldorf, wo er Knaus' Schüler wurde. Ein un-
garisches Stipendium enthob ihn der Sorgen, und
dann und wann konnte er auch ein Bild verkaufen.
Er malte hier nun mehrere Genrebildchen im Knaus-
schen Stile, wie den erwachenden Schusterjungen u. a.,
bis er sich an einen grösseren Stoff wagte: er malte
»Den letzten Tag eines Verurteilten«. Dies Bild, das

; freilich auch durchaus an Knaus erinnert, machte sein
Glück. Im Pariser Salon 1870 errang es ungeahnten,
ungeheuren Beifall und ward schon vor Beginn der
Ausstellung für 2000 Thaler von einem Amerikaner
angekauft. Zwei Jahre nachher siedelte Munkacsy
selbst nach Paris über, wo er mit kurzen Unter-
brechungen bis zu seiner Erkrankung im Jahre 1896

! gelebt hat.

Seit 1876, kurz nachdem er sich in Paris ein
eigenes, prunkvoll ausgestattetes Haus gebaut hatte,
begann Munkacsy Bilder aus Pariser Salons zu malen.
Er hatte schon früher, und das giebt ihm historische
Bedeutung, nach möglichst reicher und kräftiger Farbe
gestrebt, in der Hinsicht ward er jetzt kühner.

| Schon in dem ersten dieser Werke, dem »Atelier«,
erregten die für jene Zeit ganz ungewöhnlich lichten
Töne Aufsehen, und gleichzeitig suchte er der Dar-
stellung des Interieurs möglichst grosse Frische zu
verleihen. Aber ganz konnte er auch hier so wenig

i wie früher oder später einen gewissen schweren, bei-
nahe dumpfen Hauch der Farbe vermeiden, der
allerdings in den späteren grossen religiösen Bildern
noch weit mehr hervortritt. — Es ist eine seltsame
Wandlung, die in diesem Künstlerschaffen sich voll-
zog: aus dem Anekdotenerzähler des Elends und der
Armut wird der Schilderer der behaglichen Eleganz
und des historischen Genres, bis er sich schliess-
 
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