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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Weisbach, Werner: Von der Pariser Weltausstellung: künstlerische Eindrücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0249

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Dr. Max Gg. Zimmermann

universitätsprofessor

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 31. 20. Juli.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

Die nächste Nummer (32) der Kunstchronik erscheint am 16. August.

VON DER PARISER WELTAUSSTELLUNG.
Künstlerische Eindrücke von
Werner Weisbach.

Wer sich in den Strudel einer Weltausstellung
stürzt, um die Erscheinungen auf künstlerischem Ge-
biete zu verfolgen, der hat viel herumzugehen; denn
für die Kunst im weitesten Sinne des Wortes bietet
solch eine Ausstellung einen grossen Spielraum. Schon
die äussere Gesamtorganisation kann nach künstle-
rischen Gesichtspunkten erfolgen. Dann bietet jedes
Gebäude, jeder Innenraum Gelegenheit für künstlerische
Bethätigung, sofern nur die Aufgabe in die rechten
Hände fällt.

Als äusseres Gesamtbild, das darf wohl mit Be-
stimmtheit gesagt werden, macht die Pariser Ausstel-
lung keinen künstlerischen Eindruck. Entsprechende
Erwartungen sind zweifellos getäuscht worden. Selbst
die gewaltige Anlage, die nach dem Abbruch des
alten Palais de l'Industrie einen freien Durchblick von
den Champs Elisees bis zu dem Invalidendom er-
möglichte, mit den beiden Palästen, dem Grand und
Petit Palais im Vordergrunde, dem über die Seine
führenden Pont Alexandre III und den Gebäuden für
die häusliche Decoration und Industrie auf der Espla-
nade des Invalides, zwischen denen sich in weiter
Ferne die goldene Kuppel des Domes erhebt, übt,
wenn auch grossartig erdacht, in der Ausführung keine
besondere Wirkung aus. Schuld daran ist zum Teil
die kleinliche Zuckerbäckerarchitektur der Industrie-
paläste. Man hätte sie mit dem Invalidenpalais zu-
sammenstimmen und dem Ganzen eine einheitliche
architektonische Idee zu Grunde legen müssen. Dazu
war aber ein genialer Architekt erforderlich. Was hier
fabriziert wurde, ist elende Stuckateurarbeit.

Dass die Porte monumentale, der Haupteingang
von der Place de la Concorde, ein offener pavillon-
artiger Bau mit Kuppeldach, völlig missglückt ist,
haben die Pariser selbst zur Genüge empfunden, und
sie hätten am liebsten die die Kuppel krönende Statue
der Pariserin von ihrem hohen Standort, von dem sie

die Fremden begrüssen sollte, gezerrt, wenn das Un-
ternehmen nach Fertigstellung des Baues nicht ein so
kostspieliges gewesen wäre. Es ist eine Farce, dieses
bunte, byzantinisierende Bauwerk mit zwei kolossalen,
byzantinisch gewandeten Frauenfiguren in den Nischen
am Boden, überragt von der augenscheinlich nicht
zur besten Gesellschaft gehörigen Dame in modern-
ster Toilette.

Ein dankbares Feld für architektonische Auf-
gaben hätte die sogenannte Rue des Nations, die
sich hart am linken Ufer der Seine hinzieht, bieten
können. Jeder Staat, bis zu den kleinsten, hat
sich hier ein Repräsentationshaus errichtet in einem
seinem Lande eigentümlichen Stil der Vergangenheit
oder Gegenwart. Kein einziges indessen stellt eine
wirklich grosse architektonische Schöpfung dar. Als
Gesamtleistung im Inneren und Äusseren macht viel-
leicht das englische Haus den vornehmsten, harmo-
nischsten Eindruck. Die Fassaden sind in einfachem
Tudorstil gehalten, dem die moderne englische Bau-
kunst so manche wertvolle Anregung verdankt. In
Anlehnung an ihn hat sie sich ihre würdige Einfach-
heit bewahrt und ist nicht in die kontinentale, nament-
lich auch in Deutschland leider so verbreitete Manier
der Überladung mit prunkvoll sein sollenden Orna-
menten verfallen. Die Fassade der guten englischen
Häuser entwickelt sich zweckentsprechend von innen
heraus und erscheint nicht etwa nur wie eine vor-
gesetzte Kulisse. Wer noch kein Wohnhaus in Eng-
land gesehen hat, dem wird das Haus der Rue des
Nations sicherlich in seinem Äusseren und Inneren
manche wertvolle Anregung bieten. Es ist ein durch-
aus eigenartiger Geschmack, der sich auch im Inneren
kund giebt, technisch von den Holzverkleidungen der
Wände bis zu den Stuckverzierungen der Decken
alles vortrefflich ausgeführt. Man atmet in diesen
Räumen eine hohe, verfeinerte Kultur. Und mit wie
herrlichen Kunstschätzen hat man das »Home« aus-
gestattet. Da begrüssen den Eintretenden prachtvolle,
farbenglühende Webereien nach Entwürfen von Burne
 
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