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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Weese, Artur: Die Ausstellung im Münchner Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0257

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15
Neue Folge. XI. Jahrgang. 1899/1900. Nr. 32. 16. August.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasen-
stein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

Die nächste Nummer (33) der Kunstchronik erscheint am 21. September.

DIE AUSSTELLUNO
IM MÜNCHNER GLASPALAST

von Artur Weese

Vor kurzem ist in diesen Blättern mit Recht darauf
hingewiesen worden, welch grosse Fortschritte die
Münchner Kunst in der Technik gemacht habe. Ein
Virtuosentum des Kolorismus hat sich hier ausgebildet
und selbst die kleinste Landschaftsstudie leuchtet im
vollen Glänze sonnenbeschienener Farben. Darin ist
leicht die Reaktion gegen die nüchterne Dunkelmalerei
von früher zu erkennen. Ebenso gross sind die Er-
rungenschaften in der rein manuellen Behandlung des
Farbenauftrages. Das Pigment muss sich oft eine
Manipulation gefallen lassen, als gälte es plastische
und nicht malerische Werke zu schaffen und man
erstaunt oft, wie ein vollkommen chaotisches Durch-
einander von Farbenflecken bei genügender Entfernung
sich doch noch zu einem organischen Bildeindruck
gestaltet. Eine Fülle von Geist und mühseliger Arbeit
ist in diesen scheinbar nella furia del penello hin-
gemalten Bildern enthalten. Ehrgeiziges Streben und
eine hochgespannte Wachsamkeit unter den Künstlern,
die keinen Erfolg, keinen Einfall, keinen Kniff des
andern sich entgehen lassen, machen die künstlerische
Arbeit in München zu einem ernsten erbitterten Kampf.
Unter der Maske gemütlicher Ruhe und Gelassenheit
versteckt die Kunststadt München einen rastlosen,
fieberhaften Thätigkeitsdrang, der für den Einzelnen
oft zu quälender Macht gesteigert wird, weil in den
zahllosen Ateliers der Wetteifer nie zur Ruhe kommt
und die stille Arbeit des Nachbarn, der Wand an
Wand wohnt und kaum gehört wird, die Geister des
Behagens und bequemen Geniessens mit lauterem
Schall verscheucht, als das Toben und Lärmen einer
Fabrik. Wer das nicht schon wüsste, der könnte
sich doch durch Zahlen leicht überzeugen lassen. Jahr
für Jahr füllt sich wieder der Glaspalast, niemand
fehlt, keiner von den Grossen und leider auch keiner
von den Kleinen. Wer bei Eröffnung der Sommer-

ausstellung Heerschau hält, der sagt sich schnell: Sie
sind alle, alle gekommen.

Und sollte bei solchem Wettbewerb das künstle-
rische Gesamtniveau der Bilder nicht steigen? Es
muss selbstverständlich steigen und es ist auch ge-
stiegen. Die Künstler haben unendlich viel gelernt
und die hundert- und tausendmal gehörte Parole:
keine Studien mehr, sondern wirkliche Bilder! ist in den
weitesten Kreisen durchgedrungen. Denn man fühlt es
ja allen Werken an, dass ihre Schöpfer durchaus nicht
wie die Götter im Himmel aus ureigner und unend-
licher Macht gnädig und gütig spenden, sondern dass
sie mit Neugier und Angst jedes Wort und jede
Meinung Berufner und Unberufner, auffangen, weil
sie Anregung für Pläne und Aufklärung über ihre
Ziele von aussen erwarten. Innen in sich selbst finden
es nur die allerwenigsten. Schlagworte entscheiden
über künstlerische Unternehmungen gerade so, wie
über parlamentarische Entschliessungen und politische
Massnahmen. Man gehe nur die lange Reihe der
Säle im Glaspalast durch und frage sich, was haben
diese Maler mit ihren Arbeiten gewollt. Eine ganze
Flucht von Räumen, vollgepfropft mit Bildern bis ans
hohe Gewölb hinauf, wirken langweilig, nichtssagend
und gleichgültig wie ein Bazar, in dem bekannte
Ware in bekannter Güte aufgehäuft ist. Hier haust
die Masse in öder Gleichförmigkeit, hier herrscht das
Herdenprinzip, das in der Kunst am verderblichsten
wirkt. Und das fühlen die Starken, die Strebenden
am allerbesten. Sie trennen sich von der Menge, um
nicht in ihr zu verschwinden. Sie isolieren sich und
führen eine Secession durch. Immer mehr und mehr
greift der secessionistische Gedanke um sich. Es ist
ganz klar, die Massenausstellungen haben sich über-
lebt, sie sind ein Schaden geworden. Die Masse
spaltet sich, sie wird atomisiert. In diesem Jahre
haben nicht weniger als 14 Gruppen, meist Secessionen
und Secessiönchen, alle mit eigner Jury, ausgestellt.
Es giebt unter ihnen Gruppen von Künstlern, die nur
ein paar Köpfe zählen. Aber selbst in dieser kleinen
 
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