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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Leisching, Julius: Der gedeckte Tisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0018

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A) KAFFEEGESCHIRR VON JUTTA SIKA. — B) OBSTTELLER VON KOLOMAN MOSER. — C) TEEGESCHIRR
VON THERESE TRETHAHN. — D) SPEISETELLER VON ANTOINETTE KRASNIK. — E) KAFFEEGESCHIRR

VON JUTTA SIKA. GESETZLICH GESCHÜTZT

DER GEDECKTE TISCH

VON JULIUS LEISCHING

ES ist grausam und gefährlich, Hunger und Durst
zu wecken, ohne sie zu stillen. Dieses Ver-
brechens machte sich das Mährische Gewerbe-
museum in seiner Frühlingsausstellung »Der gedeckte
Tisch« schuldig. Merkwürdig gut war sie besucht,
trotzdem es nichts zu essen und zu trinken gab. Selbst
Leute, die die Kunst für gewöhnlich »den Frauen«
überlassen, fand man darin. Und sie schickten sogar
ihre Freunde hinein.

Das macht: es hat ein jeder schon am eigenen
Leib erfahren, wie gut selbst ein mittelmäßiges Essen
schmeckt, wenn es schön aufgetragen wird. Und
umgekehrt kommt die beste Köchin nicht zu Ehren
in stilloser Umgebung. Wir benennen nicht umsonst
die verständnisvolle Freude an den Werken der Kunst
wie der Natur mit demselben Wort Geschmack. Und
trotzdem gehört ein geschmackvoll gedeckter Tisch
selbst in sogenannten guten Häusern keineswegs zur
Regel. Auch kann wohl gesagt werden, daß nur in
jener Wohnung das Speisezimmer künstlerischen An-
sprüchen genügt, wo auch die Küche stilvoll, das
heißt in voller Übereinstimmung von Absicht und
Zweckerfüllung oder Brauchbarkeit ausgestattet ist.
So bot jene Ausstellung neben einzelnen gedeckten
Tischen und völlig eingerichteten Speisezimmern auch
ganze Küchenausstattungen.

Seltsamerweise fällt es noch immer ungemein
schwer, eine gewählte Ausstellung dieser Art selbst
im kleinsten Rahmen zustande zu bringen. Denn
natürlich sollte nicht der Stil unserer Groß- und Ur-
urgroßeltern, sondern der unsrige zur Geltung kommen.

Da fehlt es noch oft am notwendigsten. Wer etwa,
wie der Berichterstatter auf der Pariser Weltausstellung
igoo, z. B. hübsches Eßbesteck in modernen Formen
suchte, der fand es nicht.

Der Kampf um die Möbelformen hat lange Zeit
alle Kräfte in Anspruch genommen. Nun, da er
ausgetobt, werden sie auch für andere Arbeiten frei.
So für die zu lange vernachlässigten Beleuchtungs-
geräte. Es ist ein alter Scherz: so lange wir Gas
brannten, ahmten wir Kerzen und Petroleumlampen
nach. Seit wir elektrisches Licht brennen, ahmen
wir Kerzen, Petroleum- und Gaslampen nach. Frei-
lich häufig nur aus notgedrungener Sparsamkeit, weil
alte Beleuchtungskörper einfach umgemodelt werden
sollten für neue Zwecke. Endlich aber findet man
doch auch schon Gebrauchslampen — (auch sie
fehlten in Paris noch, wo man mit wenigen ehren-
vollen Ausnahmen nur »Ausstellungsstücke« sah) —
Geräte des elektrischen Lichtes würdig in Beweglich-
keit und Leichtigkeit und doch nicht bloß aus einem
nüchternen Kabel bestehend. So bot die Brünner
Ausstellung an zahlreichen kleinen Stehlämpchen für
Speise- und Teetische allerliebste Arbeiten, nach Ent-
wurf des Fräulein Antonie Kfasnik (Wien) von
Oswald & Co. daselbst ausgeführt. Die Wiener
Kunstgewerbeschule gab ja bekanntlich schon vielen
Damen Gelegenheit, sich auf kunstgewerblichem
Gebiete einen Namen zu schaffen. Nirgends ist die
Emanzipation erfolgreicher fortgeschritten. Auch die
Töchter des Radierers William Unger sind hier mit
Ehren zu nennen. Von Fräulein Else Unger sah
 
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