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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Zimmermann, Ernst: Porzellanstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0228

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GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNO, VORRAUM VON PROFESSOR
A. ORENANDER MIT PLASTIK VON W. SCHMARJE

PORZELLANSTIL

DAS Porzellan gehört unzweifelhaft zu den reiz-
vollsten Materialien, die je der Kunst zur Verfü-
gung gestellt worden sind; es gehört aber auch
zu denjenigen, die von ihrem Bearbeiter die meiste In-
telligenz verlangen. Denn es bleibt in seiner künst-
lerischen wie technischen Bearbeitung nicht bis zu-
letzt in der Gewalt der von Geist und Empfindung
geleiteten Menschenhand. Ein Naturprozeß, das Feuer,
unsicher und trotz aller Erfahrungen noch immer
nicht durchaus gebändigt, tritt hinzu und läßt, indem
er diesem Stoff erst seine wahre Vollendung gibt,
die Spuren seiner Macht und Laune sichtbar zurück.
Da gilt es, solange der Mensch selber den Sloff
noch in der Hand hat, diese elementare Kraft im vor-
aus zu berechnen und nach Möglichkeit zu lenken,
dadurch daß er ihre besonderen Eigenschaften studiert
und diesen die Kunst anpaßt. Das Porzellanwerk
bleibt auf diese Weise immer eine Art Zukunftswerk,
eine Tat der in die Ferne schweifenden Phantasie,
die nur Erfahrung und Übung zur Routine ohne
jedesmalig neues Denken und Überlegen macht.

Dazu kommt die Doppelnatur dieses Stoffes! Ein
fester, klar plastisch gestaltbarer Stoff mit matter,

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVI. H. 12.

stumpfer Oberfläche und die Glasur mit Glanz und
Glätte, die jenen überzieht, und seine scharfe Klar-
heit völlig verschleiert, so daß ein starker Wider-
spruch entsteht, der gleichfalls berechnet werden will,
soll eine ausdrucksvolle Kunst in diesem Materiale
wirklich zur Geltung kommen. Letztere ist zugleich
der Ausgangspunkt seiner wichtigsten Dekoration, der
farbigen, die bei aller fortgeschrittenen Keramik die
hauptsächlichste ist, durch ihre besonderen Eigen-
tümlichkeiten aber gleichfalls zur vorherigen Be-
rechnung zwingt, die andere ebenfalls farbige Flä-
chendekoration verlangende Stoffe in dieser Weise
nicht kennen.

Und dann darf nicht vergessen werden, daß die
Porzellankunst nicht nur eine Tat der individuellen
Hand ist, sondern auch der mechanischen Maschine,
daß sie nicht nur eine Kunst, sondern auch eine In-
dustrie darstellt und damit die Vereinigung zweier
Produktionsweisen, die sich für gewöhnlich nicht
gerade freundlich gegenüberstehen. In formaler Be-
ziehung wird das mechanische Element seit alters
her durch die Töpferscheibe dargestellt, deren Trieb-
kraft zwar oft eine rein menschliche bleibt, doch aber

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