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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Rapsilber, Maximilian: Kayserzinn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0173

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KOPFLEISTE VON REGIERUNGSBAUMEISTER AD. HÄRTUNG, BERLIN

KAYSERZINN.

IE aus dem Atelier Engelbert
Kayser - Köln hervorgehenden
Zinngeräte, welche unter dem
Namen »Kayserzinn« eine inter-
nationale Berühmtheit erlangt
haben, tragen ein so ausgespro-
chen modernes Gepräge an sich,
daß wohl niemand von selbst auf
den Gedanken käme, einmal nach-
zuforschen, ob da nicht irgend
welche technischen oder künst-
lerischen Voraussetzungen, Überlieferungen oder Über-
gänge zwischen altem und neuem Stil sich nachweisen
ließen. Gewiß kann von einem künstlerischen Stil
der Zinngießerei seit zwei Jahrhunderten keine Rede
sein. Die letzten Kunstarbeiten in Zinn, die noch
auf der Höhe der ruhmvollen Überlieferungen stehen,
stammen aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Als dann die französischen Königsstile aufkamen,
hatte das Silber die Vorherrschaft im edlen Tafel-
geschirr und teilte sie ein Jahrhundert später mit dem
Porzellan. Das entthronte Zinn sah sich mehr und
mehr dem kleinen Handwerksbetrieb und der ge-
meinen Notdurft anheimgegeben. Aber es verschwand
doch nicht, obgleich die Massenwaren billigsten Por-
zellans, Steinguts usw. und die emaillierten Gefäße
im 19. Jahrhundert die bürgerlichen und bäuerlichen
Haushaltungen überschwemmten. Die künstlerische

Wiederbelebung des Zinns konnte also nur aus einem
letzten Rest handwerklicher Überlieferungen hervor-
gehen und das ist in der Tat der Fall bei Kayser-
zinn. Der Vater von Engelbert Kayser war nämlich
Zinngießer vom alten handwerklichen Schlage. Dieser
J. P. Kayser hatte seine Werkstatt 1844 in Kaiserswerth
bei Düsseldorf etabliert, sie dann nach Krefeld ver-
legt und 1885 erwuchs daraus die heutige große
Fabrik J. P. Kayser Sohn in Bochum bei Krefeld,
welche an der Hand des großen Erfolges des Kölner
Kayserzinns mächtig aufgeblüht ist. Genau fünfzig Jahre
nach der Geschäftsbegründung des Vaters trat Engelbert
Kayser mit der ersten Bierkanne im modernen Stil
hervor, entworfen und modelliert in seinen Kunst-
werkstätten in Köln, welche, wohlgemerkt, ein völlig
abgesondertes und eigenes Dasein neben der Krefelder
Fabrik führen. Die Erzeugnisse des alten Kayser
hatten schon vor fünfzig Jahren am Niederrhein einen
solchen Ruf, daß die Leute sogar ältere und wertvolle
Zinnsachen zum Einschmelzen undUmarbeitembrachten
und vom Volk selber war der Name Kayserzinn
zwanglos geprägt worden, und es ist daher wohl er-
klärlich, daß die neue Kayser-Generation an der guten
alten, volkstümlichen Bezeichnung festhält.

Im guten bürgerlichen Haushalt haben sich die
Zinngeräte wiederum einer liebevollen Aufnahme zu
erfreuen, weil der künstlerische Adel, welcher dem
Zinn aufgeprägt ist, in dem Material die Vorstellung
 
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