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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 3 (1. Novemberheft 1912)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Franz Nabl: ein neuer österreichischer Dichter
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Bülow, Marie von: Rednerische Schulung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0218

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verlotterten Studenten, der im Revier Fischer geworden ist, endlich das
Schicksal der beiden andern Söhne Arlets, alles ist verwoben mit dem
innersten Lrleben der ödhofer und dient nicht nur dazu, sich selbst in
voller Breite vorzutragen, sondern auch Geist, Gemüt, Sinnen und
Sehnen der Gestalten in wechselndem Reichtum aufzuschließen. Es braucht
kaum gesagt zu werden, daß ein Poet wie Nabl dabei nicht ein einziges
Mal trivial oder dürftig wirkt. Arlet selbst ist, wenngleich ein in seinem
wilden Blut Verlorener, doch ein geistvoller Mann, die Fuchstaler eine
kluge, erfahrene Frauennatur, der junge Meser gibt als Tiersreund,
Lurner, Vegetarier, Abstinent dem Gespräch oft Gehalt und Tiefgang,
die Probleme der Erziehung und des Lebens der Liebe und in der
Natur werden abgewandelt; keine Seite des Buches, das einem unerhört
tiefen Suchen und Erfassen des Lebenssinnes Gestalt verleiht, langweilt
oder verwirrt.

Daß der neue Name, dessen Klang für das literarisch anscheinend un--
erschöpfliche österreich ein neuer Ruhm ist, nun bald weithin laut ge-
nannt werde, das darf man noch bezweifeln; die Zeitströmung, die Mode
ist seinem Wesen nicht günstig. Wir sind Sensationelleres, Präziseres,.
Animalischeres gewöhnt und anderseits Klingenderes, Süßeres, Schein--
hafteres. Lben dieser Umstand gab den Grund, hier mit so viel Nach-
druck für einen Schaffenden einzutreten, der den Besten dieser Tage
gesellt werden darf. Denn nach unsrer Meinung trägt Nabls Art schon
in Kunst- und Erlebnisform die Kennzeichen tief eigner Persönlichkeit.

Wolfgang Schumann

Nednerische Schulung

^H-nser öffentliches Leben hat in den letzten zehn bis fünfzehn Iahren
A I durch die Häufigkeit, mit der auch Frauen sich bei den verschieden-
^"^"sten Anlässen hören lassen, eine wesentliche Bereicherung erfahren.
In literarischen Vorträgen, Kongressen, Vereinen, bei politischen Ver-
sammlungen begegnen wir ihnen und gewinnen im allgemeinen den
Eindruck, daß es ihren Reden an logischem Ausbau, an Wärme, Ge-
wandtheit, Schlagfertigkeit nicht gebricht. Ia, es will oft scheinen, als
ob alle diese Werte der deutschen Durchschnitts-Nednerin mehr zu Ge-
bote stünden als dem deutschen Durchschnitts-Redner, der, verglichen
mit dem anderer Nationen, im Nachteil ist durch eine gewisse Pn-
freiheit, Amansehnlichkeit seiner Vortragsweise: Stimme, Körperhaltung,
Geste, Blick kommen bei ihm dem Gesagten nicht zu Hilfe. Indessen
scheint es auch den meisten vortragenden Frauen noch nicht genügend
bewußt zu sein, wie wichtig es ist, sich nicht nur mit dem gedanklichen
Inhalt einer Rede auf das gründlichste zu beschäftigen, sondern auch
dafür zu sorgen, daß der Hörer ihr leicht, ohne Anstrengung und wo-
möglich mit Genuß folgen könne. And doch hat in unserer red- und
vereinsseligen Zeit jeder Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Ein
besonders reiches Feld zu derartigen Studien bot der Berliner Frauen-
kongreß des vorigen Winters. Es gab da unter den Reseraten mäßig
Interessantes, oft schon früher Gehörtes, das trotzdem dankbar ausge-
nommen wurde, aus keinem andern Grunde, als weil man den Wort-
laut überhaupt verstand; während inhaltlich Besseres, Wertvolleres in-

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Kunstwart XXVI, 3
 
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