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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
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Avenarius, Ferdinand: National
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Nidden, Ezard: Neue Frauenbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0022

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es rechts oder links, mißbraucht werde für Interessen einzelner
Stände oder gar einzelner Menschen, das ist es, was bei uns Deut-
schen mehr als anderswo die nationale Glut mit Asche beschüttet.
Unser Volk als Ganzes glaubt nicht mehr daran, daß es irgend-
welcher Partei mit der Arbeit fürs allgemeine Wohl vor den eigenen
Interessen tiefinnerer heiliger Lrnst sei. Insbesondere: erst wenn es
Opfer von uns Besitzenden und Herrschenden für die Stärkung
seiner Selbstkraft sehen wird, Opfer an Geld, an Ehre, an Macht,
erst dann wird es wieder daran glauben. Und erst dann werden wir
so stark wirken können, wie wir sind.

Kürzlich ist hier von „Politischen Außenseitern" gesprochen worden.
Die unsre Anschauungen teilen, sind vorläufig alle politische Außen-
seiter. Sie denken allesamt nicht an neue Parteigründungen, sie
sühlen sich, ihren sonstigen Anschauungen entsprechend, bei irgend-
einer der Parteien rechts oder links erträglich untergebracht. Sie
wollen auch nicht etwa sänstigen, was an Kräften nur wachsen kann,
indem es sich kämpsend stärkt. Aber sie wollen jeder an seiner Stelle
dafür wirken, daß aus dem Streitstoff innerhalb unsres Volkes das
Entbehrliche ausgesondert werde. Dieweil wahrhastig immer noch „zu-
reichen" wird, was an Zunder für Zwietracht übrig bleibt. A

Neue Frauenbücher

^«^s läßt sich wohl stets, wenn man Werke von Frauen behandelt,
R^^über die Fähigkeiten und Anfähigkeiten des weiblichen Geschlechtes
^»^lrgend etwas allgemein Gültiges oder wenigstens gelten Sollendes
daranknüpfen.* Erst vor wenigen Wochen las man in einer großen süd-
deutschen Zeitung, die „intelligenteren und geschmackvolleren Frauen"
mieden das „Metier" der Schriftstellerei, während die „Durchschnitt-
weiber", denen „die einzig wirklich bedeutende Angelegenheit heute wie
immer die Erotik ist", so viel schrieben, daß die Literatur hinter den dick-
leibigen literarischen Folgen ihrer kleinen erotischen Erlebnisse kaum noch
zu sehen sei. Ich halte das für eine Augentäuschung, ich sehe die Literatur
noch. Werhaupt — ob zum Beispiel Eva Lotting, die uns den
prächtigen Roman „Nervosität" schrieb, eine Durchschnittnatur ist? Ein
ganz eigen gesehenes Buch ist das, kaum glaubhaft, daß es ein Erstling
sein sollte. Ein kleines Mädchen leidet in einer Kleinstadt und in ihrer
namenlos spießigen Familie an ctwas unbefriedigter Erotik und sucht
ihrem Männerdrang vom sechzehnjährigen Schüler bis zum sünfzigjährigen
Theatermaler — Ludini! — weidlich verliebte Opser. Nnd doch ist das
kein Roman „um Erotik herum", sondern zunächst um jene sonderbare
Nervosität, welche aus innerer Nichtigkeit, Langeweile, aus Philisterium

* Lotting, „Nervosität", Roman, Verlag E. Reiß, Berlin, H M.;
Egidy, „Die Prinzessin vom Monde", zwei Novellen, Verlag S. Fischer,
Berlin, 5,50 M.; Reuter, „Frühlingstaumel", Roman, derselbe Verlag,
5 M.; Marriot, „Heinz Henning", Roman, Verlag Grote, Berlin,
5 M.; Meisel-Heß, „Die Intellektuellen", Roman, Verlag Oester-
held L Co., Berlin, 6,50 M.; Lambrecht, „Notwehr", Roman, Verlag
K. W. Mecklenburg, Berlin, H M.

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