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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0094

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Geschmack

es ernst wird mit dem sitt-
^-^lichen Kampfe des Lebens, da
ist das vornehm lächelnde Ge-
schmacksurteil viel zu kühl und ge-
lassen, um sich von dem bequemen
Fauteuil des nur ästhetisch inter-
essierten Zuschauers mitten hinein-
zustürzen in den Wogenschwall der
Leidenschaften, da gilt es statt ästhe-
tischen Beifalls und Mißfallens tief-
gefühlte Neigung und Abneigung,
Liebe und Haß, sehnsüchtiges Ergrei-
fen und inneren Abscheu. Für den
bloßen Geschmack wird der Weltpro-

zeß notwendig zur Theatervorstellung
und das eigene Leben zur gefühlvoll
gespielten Rolle; die wahre und reale
Beteiligung ergibt nur das Einsetzen
des Gemütes, welches echtes und
tiefes Gefühl statt ästhetischer An-
empfindung herzubringt. Die Teil-
nahme des Geschmacks an dem vor-
geführten Schauspiel bleibt immer
nur ein mittelbares ästhetisches
Interesse am künstlerischen Schein;
erst das Gemüt ermöglicht eine
wahrhafte und unmittelbare Her-
zensbeteiligung an der Realität
des Lebens. E. v. Hartmann

Unsre Bilder und Noten

-ir bitten die Leser, zunächst das Doppelblatt aufzuschlagen, den
»vielfarbigen Steindruck, den sie hinterm Texte finden, eine Nach-
bildung von Wolfgangmüllers „Sehnsucht des Iüng-
lings".* Als ich diesem Bild auf der Ausstellung begegnete und es gar nicht
besonders beachtet fand, ich bekenne, da hatte ich das Gefühl: wie sind
wir doch eigentlich heruntergekommen! Sehen wir denn nur noch impressio-
nistische Werte, daß ein Bild von solcher Innerlichkeit des phantastischen
Schauens und der großen Empfindung kaum auffällt? — Im zartesten
Nebeldufte die See, daß am Horizont Meer und Himmel in Eins gehn,
in die große heilige Einheit der Welt, die doppeltbesonnte und doch nur
von einem Lichtquell besonnte, von einem Born des Erhabenen, um
den die Wolkenscharen wie Engelheere in Anbetung stehn.

Ein Künstler, den wir auch besonders schätzen, obgleich er mit seinen
Bildern vielleicht nicht immer die Höhe der Malkunst erreicht, ist
Alfred Bachmann. Auch er sieht nicht nur mit den Augen, er
hat, was auch unter den Meermalern ganz und gar nicht viele haben:
das Gefühl des Meeres, insbesondsre des nordischen Meeres. Es
ist nicht nur ein schönes Spiel von Hell und Dunkel, es ist auch nicht nur
Wasser, Stein, Eis, Luft und Wolke, was wir hier sehn. Sondern ist
die nordische Insel mit ihrer Einsamkeit, mit ihrer Erhabenheit —
mit ihrer Poesie.

* Ich meinte, das müsse auch ein Bild fürs deutsche Haus sein. Des-
halb habe ich es noch in weit größerem Formate (37X38 Lin) als Vorzugs-
druck des Kunstwarts nachbilden lassen. Auf diesem großen Druck ist auch
der vom Künstler selbst gestaltete Rahmen mit wiedergegeben. Wer's in
die Mappe legen will, wird ihn vielleicht gern sehn — es bleibt ihm ja
unbenommen, das abzuschneiden und das Bild auf eine weiße Fläche zu
heften, was ihm sehr wohl tut. Wer's einrahmen lassen will, hat eine
Andeutung über den passenden Rahmen dabei. Das große Blatt kostet
unaufgezogen 2 Mark, auf weißen Büttenkarton aufgelegt 2.50 Mark.

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Kunstwart XXVI, s
 
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