Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1912)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0274

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sich nimmt, so wünsche ich, daß die
Volksvertreter, mit dem Geiste des
Bürgerlebens getränkt, in den Bera-
tungssaal eintreten, das Bürger-

leben selbst aber sich als ein gesundes
und frisches bewähre, aus welchem
wirklich Ermutigung und Kräftigung
geschöpft werden kann. Ahland

Unsre Bilder und Noten

iner der ersten Kunstkenner, Sammler und Mäzene der Gegen-
wart sagte einmal zu mir: „Von allen lichtzerlegenden Malern
Deutschlands ist es meiner Meinung nach nur einem gelungen,
seine Kraft nicht beim »Turnen« mit den neuen Kunstmitteln auszu-
brauchen, sondern mit ihnen auch neuen malerischen Gehalt zu geben:
Max Stremel." Ich sage Gesagtes weiter, ich untersuche nicht, ob
es zutrifft, aber ich bitte die Leser, etwa vor unserm Vorzugsdruck nach
Stremels „Goethezimmer" über den Sinn solcher Worte nachzudenken.
Die „rote Brücke von Wasserburg", die der farbige Steindruck vor
diesem Hefte wiedergibt, ist ein ganz andersartiges, aber auch ein sehr
merkwürdiges Bild, das, so sollte man meinen, in eine öffentliche Galerie
der modernen Kunst gehörte. Nicht nur Wasser zu malen, wie hier
den Inn, wäre schwer ohne die moderne Bewegung denkbar, die wunder-
same Leuchtkraft der Farben hätte in solcher Einfachheit und Breite ein
älterer Landschafter auch kaum hinzusetzen gewagt. And doch: wie eigen
ist die Behandlung, wie wenig „Schule", wie besonderes, eben Max
Stremelsches Sehn! Es ist volle Mannesreife in diesem Bild, ruhige,
feste, sichere, lagernde Stärke.

Anfre übrigen Blätter geben diesmal Zeichnungen wieder, um
neben dem kleinen Rundschaubeitrag „Licht und Schatten" um ein
größeres Publikum für Schwarzweißkunst werben zu helfen. Wer nicht
im Stofflichen verfangen bleiben will, muß auch vor dem Schwarzweiß-
blatt versuchen, sich ins Technische einzufühlen; erst mit der Illusion,
Stift oder Pinsel selbst flott nachzuführen, kommt das Zusammenleben
mit denr Kunstwerk, das die allerfeinsten ästhetischen Genüsse, das an
Leben viel Reicheres erschließt, als aus den „farbenprächtigsten" Auto-
typien hundertfach verdünnter Reproduktionen erwachsen kann. Hier
geht doch vom Persönlichen, vom Besten nicht gar zu viel verlo'ren.
Man versuche das nur, auf dem Gesicht des „lachenden Mädchens"
von Wera von Bartels im Geiste mitzustricheln: wie dann plötz-
lich die Flächen Formen werden, wie die Augen „ach geh mir, du"
sagen, wie der Mund lacht und doch nicht traut, aber auch: welch Ver-
gnügen die Malerin beispielsweis an dem Lichtfleck gehabt hat, der
beinah allein die ganze Nase formt. And wie der Stift im Haar, am
Kragen keck und sicher herumfuhr und mit zwei Strichen rechts und
links die Körperhaltung gab.

228

Kunstwart XXVI, 3
 
Annotationen