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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 3 (1. Novemberheft 1912)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0275

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Ulrich Hübners „Stadt am Abend" glossiert nicht, das will
schildern. Schildern, nicht „abzeichnen", er will nichts Topographisches
bringen, nichts porträtieren, was unter den Laien der blöde auch bei
den Landschaftern immer noch vom Zeichner zu erwarten pslegt. Mcht
um die Häuser, um das Ganze geht's ihm, wozu vor allem auch der
Himmel gehört, um die landschaftliche „Stimmung". Wie anders des-
selben Künstlers Hafenbild! Kann man nicht aus dem Vergleichen
der beiden vortrefflich sehn, wie eine andre Technik eine Arbeit „um-
stellt"? Hier ist Tusche dabei; die Feder, Alleinherrscherin im vori-
gen Bild, ist bei diesem nur vorsichtige Verschärferin. Lusche, also
Töne, Flächen, Luftperspektive, Licht. Licht vor allem, ruhiges nnd
zitterndes.

Licht ist freilich auch in Karl Walsers künstlerisch sehr raffi-
nierter Lhinoiserie „Am Wasser" der Seelenträger, aber in anderer
Weise. Ein schwarzer, wie die Norddeutschen sagen: „dösender" Sil-
Houetten-Zopfmann in der Mitte, der ist Herr, der herrscht. Um ihn,
da zittert, webert, kribbelt alles: die Sträucher, der Boden, das Schilf
sogar, der Hintergrund drüben, alles ist in allerfeinstem Gsslimmer.
And, was vorhin die Hauptsache war: Wasser und Erde, sind so gut
wie nicht da. Ist nicht ein sehr feiner Humor in diesem Blatt, der erst
mit dem Nachfühlen des Technischen sozusagen zu kichern anfängt?

Bumm, nun kommt Rudolf Schramm-Zittau daher, der im-
pressionistische Tier-Meistermaler, den wir mit dem vorigen Heft vors
Fenster einer Dachauerin begleitet haben. Schwarz-weiß, trotz der paar
Mitteltöne mag man sagen: im verwegensten Sinn. Dem war's eine
Lust, beweislich zu zeigen, wie wenig Schattenstriche, Schattenhiebe man
braucht, um einen Gauderhahn in all der Erhabenheit zu „verkörpern",
neben der selbst eines Gockels Majestät minder beträchtlich erscheint. Man
halte das Blatt nur richtig (etwas tief und, sagen wir: einen Meter fern),
dann wird sogar der Hühnerhof bis zum Geländer Naum. Welch ein
Weg von Walserschem Schwarz-Weiß bis zu diesem — aber beides ist
echte Kunst.

Wir haben die Bilder der empfohlenen Zeitschrift entnommen, wenn
sie auch hier zum Leil nach andern Platten und zum Teil auf unsre
andere Weise gedruckt sind. Genug, wenn sie diesem und jenem in
solchen Dingen Mindergeübten andeuten, welche unerschöpfliche Mannig-
faltigkeit von Reizen in Zeichnungen als Zeichnungen leben mag. Nnd
doch konnten wir nur auf die gröbsten deuten, jede Minute des Ver-
weilens bei einem guten graphischen Blatt gibt dem einmal aufgeschlos-
senen Auge neue. A

»,»nsre Notenbeilage soll den Komponisten Robert Haas in den
^Kreis der Kunstwartleser einführen. Der junge Deutschböhme, der
in Dresden wirkt, zeigt eine bemerkenswerte echt lyrische Anlage, ein
Streben nach weitatmender, geschwungener Melodik, wovon das hier

(. Novemberheft (9(2 229
 
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