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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1912)
DOI Artikel:
Thoma, Hans: Zum Thema Traum und künstlerisches Schaffen
DOI Artikel:
Buschmann, Johannes: "Fabrikware"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0382

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Gesetzmäßigkeit herrscht, wie man sie ost auch an Naturgebilden findet.
Man dürfte sie auch Visionen nennen, die als solche ebensowohl be-
deutungsvoll wie bedeutungslos sein können. Der Nrheber deutet sie
mystisch: das ist wohl ein Zeichen dafür, daß diese Gebilde nicht nach
äußerlichen verstandesmäßigen Harmoniegesetzen zusammengrtragen
sind, sondern aus einer innern Vorstellung ihren Nrsprung haben.
Es gibt japanische Rollbilder, aus Seide gemalt, die allerdings so
zart sind wie Träume, und es gibt welche von einer feierlichen Pracht,
vor der man stumm hindämmern kann. Wir modernen Luropäer
können keine solchen Träume malen, denn wir wollen mit unsrer Far--
benbuntheit schreien. Es war schon einmal anders.

Wenn man eine solche Plauderei schließen will, tritt wohl die
Frage heran: Ist es denn nötig, das Traum- und Phantasierecht in
der Kunst zu verteidigen? Wozu? Es sind ja alle großen gültigen
Kunstwerke, alle, die uns tief ergreifen, alle, die zu unsrer Seele
sprechen, Gebilde, die aus dem ewigen Traum der Menschheitsseele
geboren sind. Es sind diese Kunstwerke ja doch die einzige Ergänzung,
die geistige Festsetzung der gar oft zweifelhaften Wirklichkeit — es sind
die großen Träume, die jenseits der Wirklichkeit entstehen, der Wirk-
lichkeit — die wir ja eigentlich doch nie kennen lernen.

Wenn man das Leben durchgewandert hat und zurücksieht, so fragt
man und weiß es kaum mehr: Was war denn Wirklichkeit von all
dem, was im Leben an uns herangetreten ist? War es nicht ein
Traum von der Wiege bis zum Grabe? Vorübergerauscht ist alles,
wesenlos ist alles geworden. Wenn man nach der Wirklichkeit greist,
so ist's ein Schlag in Lie Luft. Ist wohl das Wahrheit, was die Künst-
lerträume aus der Wirklichkeit gestalten? HansThoma

„Fabrikware"

m Kunstwart (XXIII, 22) wurde von den Mebesschen Bauten
^ A sür den Berliner Beamtenwohnungsverein berichtet und der Ver-
E_^fasser schrieb in seiner Freude über die geschmackvoll-gediegene
Innenausstattung, die dem gelungenen Außeren so trrffckch entspricht:
„Keine Fabrikware, sondern vom Künstler durchgestaltete Dinge,
die aber doch durch den Zusammenschluß der Mitglieder in Massen
und desha.b billig hergestellt werden konnten."

Einer unsrer modernen großen Werkstättenbetriebe der Möbel-
industrie soll gegen seinen Willen in die Handwerkerzwangsinnung
eingereiht werden. Er legt Beschwerde ein, sein Betrieb wird besich-
tigt, die ganze innere Organisation hat einen durchaus fabrikmäßigen
Charakter, aber — in den Werkstätten werden ausschließlich künstle-
risch und technisch hochwertige Erzeugnisse angefertigt. Deshalb
bleibt es bei der Klassifizierung als „Handwerksbetrieb". Der Gut-
achter äußert, er würde ihn unbedingt als Fabrikbetrieb bezeichnen,
wenn er „Klamotten" (Schundware) arbeitete, so aber könne er ihn
nicht zum Fabrikbetriebe „d e g r a d i e r e n".

Das sind zwei Beispiele einer bei uns allgemeinen Vorstellung:
daß nämlich „Fabrikware" identisch sei mit Schundware, mit geschmack-
loser, unsolider Massenproduktion, die um des nackten Profithungers

3^

Kunstwart XXVI, 5
 
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