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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1912)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Kunstgeschichte für Kunstgenuß?, [1]
DOI Artikel:
Mangoldt, Karl von: Kleingärten und Volkskultur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0031

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kann nur auffordern, sich selbst in das ursprüngliche Werk des Künstlers
zu vertiefen, dann erst wird man seinen besonderen Wert ganz empfin-
den und einsehen, daß es sich nicht um eigenwillig übertreibende Kunst-
begeisterung handelt, wenn man die letzten Mängel der mechanischen
Wiederholungen betont. Viel deutlicher wird uns das bei Gemälden.
Wer sich je ganz einem Gemälde hingegeben hat, wird vor den üblichen
glatten Farbendrucken fast einen Abscheu empfinden. Lr wird ihnen
einfarbige Nachbildungen bei weitem vorziehen, wenn sie einen schönen
und charakteristischen Lon haben, und hinsichtlich des Buntrummels den
Groll begreifen, der in diesen Blättern sich schon mehrmals entladen hat.

Aber wenn Nachbildungen also niemals die Kunstwerke selbst er-
setzen können, so können die wirklich guten unter ihnen, besonders
die diskreten einfarbigen, doch sonst gute Dienste leisten. Linmal für
die Erinnerung: auf Grund der Nachbildung rust uns die Phantasie
das Vorbild ins Gedächtnis zurück. Dann aber, und das ist sehr
wichtig: eine Nachbildung kann einen beträchtlichen Teil der künst-
lerischen Werte des Nrbildes und oft genug gerade den wichtigsten und
für die Allgemeinheit wesentlichsten Teil einfangen. Sie kann uns nie
den ganzen Wert geben, aber sie kann ihn in seiner Fülle uns ahnen
lassen und manche Reize auch völlig vermitteln. Weil dem so ist, ver-
lohnt sich die Beschäftigung mit Nachbildungen nicht nur für den Kunst-
historiker, sondern auch für den, der Kunst genießen will.

Wen es also zur Kunst zieht, wer tiefer in die Kunstwerke eindringen
möchte, der beginne nicht mit einem „bißchen Kunstgeschichte", sondern er
gehe, wo er immer kann, in die Gemäldesammlungen und Kupferstich-
kabinette. Außerdem raten wir ihm, sich eine Sammlung von Nach-
bildungen anzulegen. Und erwirbt er, um diese Sammlung zu krönen,
ein bescheidenes Werk aus Künstlerhand dazu — um den Preis, den
eine Kunstgeschichte kostet, kann man sehr wohl eine gar nicht üble
Radierung bekommen — , so wird er zwar nicht mit wissenschaftlichen
Ausdrücken „über Kunst mitreden können", aber doch etwas sehr viel
Bedeutenderes für seine künstlerische Bildung getan haben. Er wird
die Kunst in seinem Hause und in seinem Leben heimisch
machen. Das „Bilderbesehen" in behaglichen Mußestunden, bei der
Lampe, oder wenn's draußen windet und regnet, welch eine Fülle von
Freude und Lebensgesundheit ruht in diesem Brauch! And doch ist
er in unsrer Zeit so wenig geübt? Wir haben noch immer nicht oder
wie selten nur die „Hausbildereien", die den Hausbüchereien entsprächen.
Nnd doch ergäben sie immer neue Anregungen und Entdeckungen, wäh-
rend eine „Kunstgeschichte" mit den gehäuften Namen und kurzen Lharak-
teristiken nur verwirrt und belastet. Wilhelm Stapel

(Schluß mit Bücherbesprechung folgt)

KleingärLen und VoLkskulLur

ie alte Erfahrung, daß aus kleinen und gering geachteten Dingen
Ioft große heilsame Umwälzungen entstehen, wiederholt sich jetzt
bei den Kleingarten-, Lauben- oder Schrebergarten-
kolonien. Anfangs von der großen Sffentlichkeit wenig beachtet, ge-
winnen sie eine immer größere Bedeutung. Da der Hausgarten in unsern

h Oktoberhest

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