Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1912)
DOI Artikel:
Traub,l...: Weihnachten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0461

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Iahrg.26 Zweites Dezemberhest 1912 Heft6

Weihnachten

^m^ie Weihnachtsgeschichte des Evangeliums, die mit den Worten
I beginnt: „Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom
Kaiser Augustus ausging", gehört zu den Perlen religiöser
Erzählung. Man muß sie genießen ohne alle Fragen geschichtlicher
Kritik und fordernder Dogmatik. Sichtbarliche Freude macht es dem
frommen Dichter, in ein paar Sätzen Weltgeschichte zu schreiben
und den Kaiser Augustus, den die dankbare römische Welt als Heiland,
Herrn und Friedebringer begrüßte, zusammenzubringen mit dem Kind
armer Leute, dem die Herzen des Volks entgegenschlagen. Und Hirten
müssen kommen, selbstverständlich; sie sind die klugen Schäser, die
außerhalb der städtischen Kultur den Schatz ihres Wissens nur im
Geheimen offenbaren. lind Engel müssen singen. Warum auch
nicht? Wenn das Herz zum Springen froh ist, dann tut sich immer
der Himmel auf. Im Mittelpunkt Maria, keine Himmelskönigin,
keine Erdenherzogin: ein einsaches Weib aus dem Volk. Wo ein
Weltheiland geboren werden will, da muß ihn die Masse verstehen.
Aus dem Brunnen des Volks muß er heraussteigen und seine quellenden
Kräfte in sich vereinen. All diese Geschichte wird umrahmt von Nacht
und Dunkel, von raunenden Gedanken und stillen tzoffnungen, so daß
doppelt hell erftrahle im Kind das Licht. Licht kommt immer aus der
Höhe; wie das Feuer herabfprang im Gewitter, so segnet Gott die
Menschen im Licht. Alle Maler aller Zeiten der Christenheit gaben
sich Mühe, dieser Offenbarung des Lichtes Herr zu werden und einmal
den Menschenkindern, die in Nacht und Nebel gehen, des erschienenen
Lichtes Herrlichkeit zu zeigen. Das Kind ist die Zukunft. Sie liegt
hier noch unschuldig und still. Aber die Hosfnung richtet sich auf das,
was kommt. An solcher Hosfnung will das Volk genesen.

Das alles wird schlicht erzählt. Es will nicht erzählt sein; es
strömt einfach aus dem Herzen des Dichters, der ein seliges Bild von
kommender Erlösung geschuut hat und zwar einer Erlösung, die er
versteht, die er teilt, die ihm Leben und Krast wurde. Die Lehre vom
Gottessohn in der Form der Dreieinigkeit kannte man damals noch
nicht. Der Mann, der das schrieb, wußte nur, daß hier in Iesu Leben
Gott und Mensch zusammenkamen, nein, daß in diesem Menschen-
leben des Gekreuzigten voll Liebe und voll Ernst sich Gott gezeigt
haben mußte. So läßt er gleich am Anfang der Geburt sich Himmel
und Erde berühren und das Kind schon erleben, was fromme Andacht
erst dem Manne später erwies. Aber wie fein, daß er keinen Spektakel
um des Kindes Geburt macht! Nicht nach Art der Gewaltigen und
Herren wird ausposaunt und auf dem Markt verkündet. Nein zwi-
schen Himmel und Erde nur findet die Aussprache statt; und hierzu
braucht es feine Ohren und eigen gestimmte Seelen. Es ist eine Be-
wegung der Geister, die da anhebt, und das zu schildern benötigt man
des Lieds und der schwebenden Engelgewalten, braucht man nur die
allereinfachsten Worte und Sachen. So allein scheinen sie durch.

2. Dezemberheft 275 ^
 
Annotationen